Die Rechtsprechung zur Wirksamkeits- und Inhaltskontrolle nahm bekanntlich ihren Ausgang mit einer Entscheidung des BVerfG vom 6.2.2001.[16] Auf Drängen des werdenden Vaters hatte die schwangere Frau einen Totalverzicht unterzeichnet, mit dem sie auf jeglichen Unterhalt für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ab Rechtskraft der Scheidung verzichtete und sich verpflichtete, ihren Partner von Unterhaltsansprüchen des (noch nicht geborenen) Kindes freizustellen, soweit es um einen Betrag von über 150 DM monatlich ging. Beide heirateten unmittelbar im Anschluss an diese Vereinbarung und einige Monate später wurde das gemeinsame Kind geboren. Im späteren Scheidungsverfahren legte der Mann diese Urkunde vor – wie bekannt, ohne Erfolg.

Bereits in dieser ersten Entscheidung hat das BVerfG die bedeutenden Schwerpunkte für die Wirksamkeits- und Inhaltskontrolle gesetzt. Ausgangspunkt war die nach Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Privatautonomie, die voraussetzt, dass die Bedingungen der Selbstbestimmung des Einzelnen auch tatsächlich gegeben sind. Maßgebliches Instrument zur Verwirklichung freien und eigenverantwortlichen Handelns in Bezug zu anderen ist das Rechtsinstitut des Vertrages, der den sachgerechten Interessenausgleich unter den Partnern gewährleistet. Das gilt auch für Eheverträge, bei denen Art. 6 Abs. 1 GG den Ehepartnern das Recht gibt, ihre jeweilige Gemeinschaft nach innen in ehelicher und familiärer Verantwortlichkeit und Rücksicht frei zu gestalten. Das ist aber bei einer einseitigen Dominanz eines Ehepartners nicht gewährleistet. Schon in dieser Entscheidung benutzt das BVerfG die Begriffe, mit denen wir dann später die Wirksamkeitskontrolle gestalten: einseitige Dominanz eines Ehepartners; gestörte Vertragsparität; unterlegene Position der nichtverheirateten schwangeren Frau. Aus heutiger Sicht ist der Begründungsaufwand für die Unwirksamkeit einer solchen Vereinbarung nicht mehr so hoch, es versteht sich fast von selbst, dass ein Vertrag dieser Art, wie er Grundlage der Entscheidung des BVerfG war, nicht wirksam ist.

Historisch bleibt diese Entscheidung aber insofern bedeutsam, als damit der erste gerichtliche Schritt zur modernen Inhaltskontrolle von Eheverträgen und Scheidungsvereinbarungen getan wurde. Der BGH hat drei Jahre später in der berühmten Entscheidung vom 11.2.2004[17] die vom BVerfG entwickelten Grundsätze für die allgemeine Prüfung von Eheverträgen und Scheidungsvereinbarungen nutzbar gemacht und dabei auch die sog. Kernbereichslehre entwickelt, nach der bestimmte Scheidungsfolgen in vollem Umfang der Disposition der Parteien unterworfen sind, andere dagegen nur, wenn der Verzicht oder Teilverzicht durch anderweitige Vorteile gemindert oder durch besondere Verhältnisse der Ehegatten gerechtfertigt ist. Die spätere Rechtsprechung baut auf diesen Grundsätzen auf.

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