Nach wie vor ist ungeklärt, ob die Einreichung eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, dem die noch zu erhebende Klage nur als Entwurf beigefügt wird, eine von Art. 111 Abs. 1 FGG-RG erfasste Verfahrenseinleitung darstellt.[1] Mit der Zulassung der Rechtsbeschwerde wollte das OLG Naumburg wohl die höchstrichterliche Klärung dieser Frage herbeiführen. Dazu ist es nicht gekommen, denn das OLG hätte die Erfolgsaussicht des beabsichtigten Rechtsmittels nach Auffassung des BGH unabhängig vom Begriff der Verfahrenseinleitung nicht verneinen dürfen.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH[2] und des BVerfG[3] ist es nicht Zweck des PKH- bzw. VKH-Bewilligungsverfahrens, schwierige und ungeklärte Rechtsfragen abschließend zu entscheiden. Das entspricht der herrschenden Meinung in der Literatur[4] und wird auch von der obergerichtlichen Rechtsprechung, soweit ersichtlich, nicht infrage gestellt. Die Frage, ob im Rahmen der Erfolgsaussicht nur schwierige Rechtsfragen unberücksichtigt bleiben müssen oder sogar nur einfache Rechtsfragen geprüft werden dürfen,[5] hat dabei keine praktische Bedeutung. Denn die Schwierigkeit einer Rechtsfrage ist nicht objektiv messbar.[6] Jedenfalls aber muss das Gericht von einer schwierigen Rechtslage ausgehen, wenn es die Voraussetzungen für die Zulassung eines Rechtsmittels als gegeben ansieht.[7] Für die hier erfolgte Zulassung der Rechtsbeschwerde folgt das ohne Weiteres aus § 574 Abs. 2 ZPO und § 70 Abs. 2 FamFG, wonach sie nur auszusprechen ist, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.[8] Es ist daher widersprüchlich, wenn ein Gericht einerseits die Erfolgsaussicht eines Verfahrensantrags durch Verweigerung der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe abschließend beurteilt, und andererseits durch die Zulassung eines Rechtsmittels zum Ausdruck bringt, dass es sie wegen einer unklaren Rechtslage noch nicht sicher beurteilen kann.

Der Hinweis des BGH auf den Meistbegünstigungsgrundsatz am Ende der Entscheidung wird für die Entscheidung des OLG Naumburg möglicherweise von Bedeutung sein, wenn es bei seiner Auslegung des Art. 111 Abs. 1 FGG-RG bleibt und auf das Verfahren das seit dem 1.9.2009 geltende Verfahrensrecht anwendet. Das erstinstanzliche Gericht hatte durch Urteil entschieden. Das zulässige Rechtsmittel gegen Urteile ist gemäß § 511 ZPO die beim Rechtsmittelgericht einzulegende Berufung. Die Prozessparteien dürfen keinen Nachteil dadurch erleiden, dass das Gericht seine Entscheidung in einer falschen Form erlässt. Ihnen steht deshalb sowohl das Rechtsmittel zu, das nach der Art der tatsächlich ergangenen Entscheidung statthaft ist, als auch das Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form erlassenen Entscheidung zulässig wäre.[9] Das gilt auch, wenn das Gericht nach dem von ihm angewandten Verfahrensrecht die Entscheidungsart zutreffend gewählt hat, der Fehler jedoch auf der Anwendung falschen Verfahrensrechts beruht.[10] Das OLG Naumburg wird danach den Verfahrenskostenhilfeantrag der Beklagten bei der erneuten Entscheidung jedenfalls nicht deshalb abzulehnen haben, weil er nach der dort vertretenen Auffassung beim falschen Gericht gestellt worden ist.

Im Übrigen ist auch bei Anwendbarkeit des seit dem 1.9.2009 geltenden Verfahrensrechts nicht zwingend davon auszugehen, dass der Verfahrenskostenhilfeantrag beim erstinstanzlichen Gericht zu stellen ist. Nach Auffassung des OLG Bremen kann ein solcher Antrag – anders als das Rechtsmittel selbst – jedenfalls solange entweder beim Ausgangsgericht oder beim Rechtsmittelgericht eingereicht werden, bis das Ausgangsgericht die Verfahrensakten an das Rechtsmittelgericht weitergeleitet hat.[11] Nach dieser Ansicht hat die Beklagte ihren Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe hier auch bei Anwendbarkeit des FamFG beim dafür empfangszuständigen Gericht eingereicht. Zum gleichen Ergebnis gelangt im vorliegenden Fall, wer die Empfangszuständigkeit für den Verfahrenkostenhilfeantrag für die beabsichtigte Beschwerde allein beim Rechtsmittelgericht sieht.[12] Auf die Frage, wann das Verfahren im Sinne des Art. 111 Abs. 1 FGG-RG eingeleitet worden ist, kommt es hier nach diesen beiden Auffassungen nicht an.

Der Gesichtspunkt der Meistbegünstigung ist danach für den vorliegenden Fall nur entscheidend, wenn man von der alleinigen Empfangszuständigkeit des Ausgangsgerichts für den VKH-Antrag der Beklagten ausgeht.[13] Der Wortlaut des § 117 Abs. 1 S. 1 ZPO spricht allerdings eher gegen diese Auffassung.

Andreas Frank, Richter am AG, Bremen

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