1. Die Ausgangslage

Im Ausgangspunkt unproblematisch ist die Rechtslage, wenn die Ehepartner ihre vermögensrelevanten Beziehungen auf eine klare rechtsgeschäftliche Basis gestellt haben; insbesondere ist jedes denkbare Wertschöpfungsziel (Eigenheim, Wertpapier- oder Immobilienvermögen, Unternehmen) tauglicher Gegenstand einer ausdrücklichen Vereinbarung einer Ehegatteninnengesellschaft; der Ausgleich findet dann nach Maßgabe der §§ 736 ff. BGB statt.[1] Treffen die Ehegatten keine (gesellschafts-)vertragliche Regelung, dann greift der gesetzliche Güterstand mit dem pauschalen Halbteilungsgrundsatz des Zugewinnausgleichs,[2] dem der Gesetzgeber soeben unveränderte Tragfähigkeit und Verankerung im Rechtsbewusstsein der Bevölkerung attestiert hat.[3] Gegenstand der folgenden Überlegungen ist die Frage, ob die Ehepartner durch Vereinbarung von Gütertrennung uneingeschränkt präventiv jeden Ausgleich auch für den Fall ausschließen können, dass ein Ehepartner zugunsten der Familienarbeit auf eigene Einkommens- und damit Vermögensbildungschancen verzichtet und damit ehebedingte Nachteile erlitten hat.

Dazu ein Beispiel, leicht verfremdet einem Fall aus der familienrechtlichen Praxis nachgebildet: M und F haben nach Abschluss ihres BWL-Studiums geheiratet und Gütertrennung vereinbart. In kurzem Abstand werden eine Tochter und Zwillingssöhne geboren. Da F ihre noch in der Startphase stehenden unternehmerischen Aktivitäten nicht reduzieren will, verzichtet M auf eine internationale Karriere als Investmentbanker; er übernimmt die Familienarbeit, organisiert die gesellschaftlichen Netzwerke der F und bewältigt mehrere Ortswechsel im In- und Ausland. F baut einen höchst erfolgreichen, international agierenden Konzern auf und verfügt bei Scheitern der Ehe 15 Jahre nach Eheschließung über ein luxuriöses Familienheim, Immobilien und Wertpapiere zur Altersversorgung sowie ein umfangreiches unternehmerisches Vermögen.

[1] Zur höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Ehegatteninnengesellschaft siehe Dauner-Lieb, FuR 2009, 361; Herr (Fn 4); s.a. Wagenitz, Vermögensrechtliche Auseinandersetzung unter Ehegatten außerhalb des Güterrechts; Schwab/Hahne (Hrsg.), Familienrecht im Brennpunkt, 2004, S. 161.
[2] Dauner-Lieb, FuR 2009, 361, 367 ff. m.w.N.; zur Zugewinngemeinschaft als Ausdruck einer Anerkennung der Gleichwertigkeit von Familien- und Erwerbstätigkeit eindringlich Meder (Fn 1), 11 ff.
[3] BT-Drucks 16/10798, S. 1, 10.

2. Ehevertragsfreiheit im Umbruch

Der Fall erscheint bereits mit einem ersten Blick in das Gesetz geklärt; § 1408 sieht unter der Überschrift "Ehevertrag, Vertragsfreiheit "ausdrücklich vor, dass die Ehegatten den gesetzlichen Güterstand aufheben oder ändern können, sodass gem. § 1414 BGB Gütertrennung eintritt.[1] Da M und F bei Eheschließung Gütertrennung vereinbart haben, fehlt es M offensichtlich an einer Anspruchsgrundlage.

So einfach liegen die Dinge freilich nicht: Die Diskussion über Reichweite und Grenzen der Ehevertragsfreiheit hat in den letzten Jahren eine stürmische Entwicklung durchlaufen,[2] vom Postulat unantastbarer, „voller Ehevertragsfreiheit“[3] bis zur Etablierung eines ausgefeilten Systems der Inhaltskontrolle von Eheverträgen durch den

BGH.[4] Bekannte Motoren des Wandels waren der bahnbrechende Vortrag von Schwenzer[5] vor der Zivilrechtslehrervereinigung im Jahr 1996, in dem erstmals die Forderung nach einer umfassenden Kontrolle von Eheverträgen formuliert wurde, vor allem aber das Urteil des BVerfG vom 6.2.2001[6] zur Inhaltskontrolle eines Globalverzichts einer hochschwangeren Frau, in dem die Grundsätze zum Ausschluss der Karenzentschädigung für Handelsvertreter[7] sowie zu den Angehörigenbürgschaften[8] auf Eheverträge übertragen und damit die Epoche der "vollen Vertragsfreiheit" beendet wurde. Der BGH hat die Vorgaben des BVerfG ins Zivilrecht übersetzt und mit inzwischen über 15 meist sehr grundsätzlich angelegten Entscheidungen ein imponierendes, zweispuriges System von Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle entwickelt.[9] Eine Inhaltskontrolle eines Ehevertrages hält er dann für notwendig und gerechtfertigt, wenn dieser Ehevertrag in den Kernbereich des Scheidungsfolgensystems eingreift.[10] Dessen innersten Kern sieht er im Betreuungsunterhalt.[11] Auch der Versorgungsausgleich genießt hohe Wertschätzung wegen seiner Bedeutung für die Alterssicherung.[12] Den Zugewinnausgleich hat der BGH jedoch als kernbereichsfern eingeordnet,[13] möglicherweise in voreiliger Verfestigung eines Diskussionsvorschlags aus dem Schrifttum.[14] Infolgedessen bleibt nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung eine Vereinbarung von Gütertrennung im Regelfall unangetastet;[15] für extrem gelagerte Ausnahmefälle soll ein Ausgleich erfolgen, dann aber nicht güterrechtlich, sondern mit den Mitteln des Unterhaltsrechts.[16] Eine endgültige Konsolidierung der Entwicklung erscheint freilich noch nicht in Sicht. Die höchstrichterliche Rechtsprechung wird zunehmend kritisiert; in gewichtigen wissenschaftlichen Beiträgen wird die Aufgabe der Kernbereichslehre gefordert[...

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