Der Fall erscheint bereits mit einem ersten Blick in das Gesetz geklärt; § 1408 sieht unter der Überschrift "Ehevertrag, Vertragsfreiheit "ausdrücklich vor, dass die Ehegatten den gesetzlichen Güterstand aufheben oder ändern können, sodass gem. § 1414 BGB Gütertrennung eintritt.[1] Da M und F bei Eheschließung Gütertrennung vereinbart haben, fehlt es M offensichtlich an einer Anspruchsgrundlage.

So einfach liegen die Dinge freilich nicht: Die Diskussion über Reichweite und Grenzen der Ehevertragsfreiheit hat in den letzten Jahren eine stürmische Entwicklung durchlaufen,[2] vom Postulat unantastbarer, „voller Ehevertragsfreiheit“[3] bis zur Etablierung eines ausgefeilten Systems der Inhaltskontrolle von Eheverträgen durch den

BGH.[4] Bekannte Motoren des Wandels waren der bahnbrechende Vortrag von Schwenzer[5] vor der Zivilrechtslehrervereinigung im Jahr 1996, in dem erstmals die Forderung nach einer umfassenden Kontrolle von Eheverträgen formuliert wurde, vor allem aber das Urteil des BVerfG vom 6.2.2001[6] zur Inhaltskontrolle eines Globalverzichts einer hochschwangeren Frau, in dem die Grundsätze zum Ausschluss der Karenzentschädigung für Handelsvertreter[7] sowie zu den Angehörigenbürgschaften[8] auf Eheverträge übertragen und damit die Epoche der "vollen Vertragsfreiheit" beendet wurde. Der BGH hat die Vorgaben des BVerfG ins Zivilrecht übersetzt und mit inzwischen über 15 meist sehr grundsätzlich angelegten Entscheidungen ein imponierendes, zweispuriges System von Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle entwickelt.[9] Eine Inhaltskontrolle eines Ehevertrages hält er dann für notwendig und gerechtfertigt, wenn dieser Ehevertrag in den Kernbereich des Scheidungsfolgensystems eingreift.[10] Dessen innersten Kern sieht er im Betreuungsunterhalt.[11] Auch der Versorgungsausgleich genießt hohe Wertschätzung wegen seiner Bedeutung für die Alterssicherung.[12] Den Zugewinnausgleich hat der BGH jedoch als kernbereichsfern eingeordnet,[13] möglicherweise in voreiliger Verfestigung eines Diskussionsvorschlags aus dem Schrifttum.[14] Infolgedessen bleibt nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung eine Vereinbarung von Gütertrennung im Regelfall unangetastet;[15] für extrem gelagerte Ausnahmefälle soll ein Ausgleich erfolgen, dann aber nicht güterrechtlich, sondern mit den Mitteln des Unterhaltsrechts.[16] Eine endgültige Konsolidierung der Entwicklung erscheint freilich noch nicht in Sicht. Die höchstrichterliche Rechtsprechung wird zunehmend kritisiert; in gewichtigen wissenschaftlichen Beiträgen wird die Aufgabe der Kernbereichslehre gefordert[17] oder eine teleologische Weiterentwicklung zur Diskussion gestellt.[18]

[1] Palandt-BGB/Brudermüller, 69. Aufl. 2010, § 1408 Rn 7 ff.; MüKo-BGB/Kanzleiter, Bd. 7, 1. Hb, Familienrecht I, 5. Aufl. 2010, § 1408 Rn 22 ff.; Erman-BGB/Gamillscheg, Bd. II, 12. Aufl. 2008, § 1408 Rn 5 ff.; Staudinger-BGB/Thiele/Rehme, Buch IV, Familienrecht, §§ 1363-1563 – (Eheliches Güterrecht) – Neubearbeitung 2007, Vorbem. zu §§ 1408 ff. Rn 10 ff.
[2] Das einschlägige Schrifttum ist kaum noch überschaubar, siehe außer den Nachweisen in Fn 1 und 2 zunächst die grundlegenden und zukunftsweisenden Dissertationen von Herr (Fn 4), Sanders (Fn 6) und Wiemer, Inhaltskontrolle von Eheverträgen – Eine kritische Auseinandersetzung mit der Kernbereichslehre des BGH, 2007; genannt seien im Übrigen exemplarisch und ohne Anspruch auf Vollständigkeit Bergschneider, Inhaltskontrolle von Eheverträgen und Scheidungsfolgenvereinbarungen, 2008; ders., FamRZ 2008, 17; ders., DNotZ 2008, 95; ders., FamRZ 2004, 1757; ders., FF 2003, 118; ders., FamRZ 2001, 1337; Brambring, Ehevertrag und Vermögenszuordnung unter Ehegatten, 6. Aufl. 2008; ders., FPR 2009, 297; Büttner, FamRZ 1998, 1; Dauner-Lieb, JZ 2004, 1027; dies., FF 2004, 65; dies., FF 2002, 151; Dauner-Lieb/Sanders, FPR 2005, 141; dies., FF 2003, 117; Diederichsen, FamRZ 1992, 1; Grziwotz, Eheverträge, Beck’sches Notar-Handbuch, 2009, 663; ders., Sonderheft DNotZ 1998, 228; ders., FamRZ 1997, 585; Hahne, DNotZ 2004, 84; Langenfeld, FPR 2005, 134; ders., ZEV 2004, 311; ders., DNotZ 2001, 272; ders., Handbuch der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen, 5. Aufl. 2005; Mayer, FPR 2004, 363; Münch, ZEV 2008, 571; ders., DNotZ 2005, 819; ders., FamRZ 2005, 570; ders., DNotZ 2004, 901; ders., MittBayNot, 2003, 107; ders., FamRZ 2009, 171; Rauscher, DNotZ 2004, 524; ders., DNotZ 2002, 751; Sanders, FF 2006, 242; dies., FuR 2005, 104; dies., FF 2004, 249; zur Inhalts- und Ausübungskontrolle von Eheverträgen bei Beteiligung ausländischer Ehegatten Kanzleiter, notar 2008, 354.
[3] Siehe aus der älteren Rechtsprechung des BGH insbesondere die Entscheidungen v. 18.9.1996, BGH NJW 1997, 126 und v. 2.10.1996, BGH NJW 1997, 192; zum Diskussionsstand bis zur Wende in der Rechtsprechung des BGH Dauner-Lieb, AcP 201 (2001), 295, insbesondere 301 ff.
[4] Die entscheidende Wende zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen unter Rückgriff auf die sog. Kernbereichslehre wird vollzogen im BGH...

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