Die mit Spannung erwartete erste Entscheidung des BGH zum neuen Unterhaltsrecht betrifft den Unterhaltsanspruch einer nichtehelichen Mutter, die 2 Kinder im Alter von 9 und 7 Jahren betreut, die aus einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft hervorgegangen sind. Das Urteil enthält eine Reihe von wichtigen Aspekten, die allerdings im Rahmen dieser ersten Rezension nur kurz aufgegriffen werden können.

1. Umfang der Erwerbsobliegenheiten bei Betreuung von zwei Kindern

Der Schwerpunkt der Entscheidung für die Praxis liegt in den Ausführungen zur Erwerbsobliegenheit des kindesbetreuenden Elternteils nach dem neuen Unterhaltsrecht. Die Urteilsgründe enthalten dabei einzelne Formulierungen, die von den Befürwortern eines "modifizierten Altersphasenmodells" als unbeschränkte Zustimmung missverstanden werden könnten.[1]

Ausgangspunkt der Überlegungen des BGH ist noch einmal die Klarstellung, das die auf kindbezogene Gründe gestützten Unterhaltsansprüche der geschiedenen Mutter aus § 1570 Abs. 1 BGB und der nichtehelichen Mutter aus § 1615l BGB annähernd inhaltlich gleich sind. Umgekehrt folgt daraus, dass eine aus Gründen der Kindesbetreuung abgeleitete großzügige Handhabung der Erwerbsobliegenheiten der geschiedenen Ehefrau im Rahmen des § 1570 Abs. 1 BGB in gleicher Weise auch der nichtehelichen Mutter bei ihrem Anspruch aus § 1615l BGB zuzugestehen ist. Wird dagegen auf die elternbezogenen – oder besser familienbezogenen – Gründe abgestellt, ist eine Differenzierung zulässig. Hier kann sich bei geschiedenen Eltern regelmäßig ein Vertrauenstatbestand aus den Nachwirkungen der Ehe ergeben, der bei einer nichtehelichen Mutter dagegen nur dann als Nachwirkung der Familie greifen kann, wenn die Eltern zuvor gemeinsam mit dem Kind zusammengelebt haben.

Der BGH hat aber gleichzeitig ausdrücklich betont, dass die gesetzliche Regel, wonach der Betreuungsunterhalt grundsätzlich nur für drei Jahre geschuldet ist und eine Verlängerung über diesen Zeitraum hinaus ausdrücklich begründet werden muss, nicht in ihr Gegenteil verkehrt werden darf.

Kindbezogene Gründe, die im Rahmen der Billigkeitsabwägung für eine Verlängerung das stärkste Gewicht haben, sind insbesondere dann gegeben, wenn die notwendige Betreuung des Kindes auch unter Berücksichtigung staatlicher Hilfen nicht gesichert ist und der unterhaltsberechtigte Elternteil deswegen dem Kind wenigstens zeitweise weiterhin zur Verfügung stehen muss. Dieser im Einzelfall zu prüfende Gesichtspunkt dürfte – so der BGH – mit der zunehmenden Ausweitung der Vollzeitbetreuung in Kindergärten und Ganztagsschulen allerdings künftig an Bedeutung verlieren. Damit wird einmal anerkannt, dass auch eine ganztägige Betreuung des Kindes in Kindergarten und Ganztagsschule grundsätzlich zumutbar ist[2] und damit auch vom unterhaltsberechtigten Elternteil genutzt werden muss. Dabei geben die konkret vorhandenen Modalitäten der Fremdbetreuung den äußeren zeitlichen Rahmen für die überhaupt mögliche Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils ab.[3] Wird z.B. nur ein Halbtagskindergarten oder eine Schule ohne Nachmittagsbetreuung besucht und steht auch sonst keine weitere Betreuungsmöglichkeit zur Verfügung, ist damit auch nur eine Halbtagstätigkeit der Mutter möglich. Das ist aber im Einzelfall konkret festzustellen und nicht vom Alter des Kindes abhängig, kann folglich auch nicht ohne Einzelfallprüfung pauschal allein an bestimmten Altersstufen wie "Kindergartenkind" oder "Grundschuldkind" festgemacht werden.[4] Die Darlegungslast liegt hier beim betreuenden Elternteil.[5] Dementsprechend hat der BGH folgerichtig die fehlenden Prüfungen des Berufungsgerichts beanstandet, ob in dem örtlichen Bereich der Klägerin eine Vollzeitbetreuung zur Verfügung stand und steht, die es ihr erlaubt, ggf. sogar vollschichtig berufstätig zu sein, oder ob aus anderen Gründen zeitweise keine persönliche Betreuung durch die Klägerin erforderlich war und ist.

Der BGH gibt dann den Hinweis, bei der Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils sei stets zu beachten, ob der ihm neben oder nach der Fremdbetreuung verbleibende Anteil an der Betreuung und Erziehung des Kindes i.V.m. einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit zu einer überobligationsmäßigen Belastung führen würde, und verbindet dies nach der Aufhebung des Berufungsurteils mit dem Prüfungsauftrag an das OLG. Er bezieht sich dabei auf seine Entscheidung vom 1.3.2006[6], in der es allerdings um die Betreuung eines 7 Jahre alten Kindes mit Schwerbehinderung auf der Entwicklungsstufe eines Kleinkindes ging.

Aus Sicht des unterhaltspflichtigen Vaters lassen sich aber auch Gesichtspunkte gegen das auf den ersten Blick bestechende Argument der Doppelbelastung der betreuenden Mutter finden. Der BGH verweist selbst auf § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB, nach dem die Barunterhaltspflicht des einen Elternteils und die Betreuungsleistungen des anderen Elternteils gleichwertig sind. Damit ließe sich aber auch argumentieren, dass der arbeitsmäßigen Mehrbelastung der betreuenden Mutter auf ...

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