Der XII. Senat des BGH differenziert mit seinem Beschl. v. 1.3.2023 (XII ZB 18/22) die Rechtsprechung zur Vermutung fehlenden Verschuldens bei der Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 17 Abs. 2 FamFG/§ 233 S. 2 aus. Danach greift die Vermutung fehlenden Verschuldens bei falscher Rechtsbehelfsbelehrung trotz Tätigkeit eines Anwalts, wenn dieser kein verfahrensbezogenes Mandat hat. Zu dieser Entscheidung kam es, weil im betroffenen Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG ("Totalrevision") ein hinterbliebener Witwer nicht beteiligt worden ist. Er hat erst im Zuge des sozialrechtlichen Verfahrens gegen die Deutsche Rentenversicherung durch Akteneinsicht des Anwalts Kenntnis von der ihn benachteiligenden Abänderungsentscheidung nach § 51 VersAusglG erlangt, die eine falsche Rechtsbehelfsbelehrung enthält. Seine Beschwerde gegen die Abänderungsentscheidung hat er nicht innerhalb eines Monats nach Kenntnisnahme eingelegt, weswegen das OLG sie als verspätet angesehen, gleichzeitig zur Klärung der Frage, welche Frist maßgeblich ist, die Rechtsbeschwerde zugelassen hat. Darüber entscheidet der BGH nicht, weil er im Hinblick auf die falsche Rechtsbehelfsbelehrung die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als gegeben ansieht. Die zu § 17 Abs. 2 FamFG vorgenommene Abgrenzung der anwaltlichen Aufgaben ist zu begrüßen. Die Entscheidung bietet zudem Anlass, die Stellung Hinterbliebener im Versorgungsausgleichsverfahren in den Blick zu nehmen.

Materiell sind Hinterbliebene mit Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nicht nur in Abänderungsentscheidungen nach § 51 VersAusglG, sondern auch in Abänderungsverfahren nach §§ 225, 226 FamFG und ebenso betroffen, wenn die Hinterbliebenenversorgung nach § 25 VersAusglG geltend gemacht wird mit der Folge, dass die Versorgung von Witwe oder Witwer gekürzt werden kann (§ 25 Abs. 5 VersAusglG). Im Ergebnis können Hinterbliebene in den Verfahren zur Abänderung von Altentscheidungen, die auf die Rückgängigmachung des Versorgungsausgleichs abzielen, der Abänderung zwar keinen Vertrauensschutz entgegenhalten.[1] Auch die Kürzung der Witwenrente nach § 25 Abs. 5 VersAusglG ist für sich genommen nicht grob unbillig im Sinne des § 27 VersAusglG.[2] Das ändert aber natürlich nichts an der gebotenen Beteiligung Hinterbliebener am Verfahren. Im Übrigen bleibt in Abänderungsfällen außerhalb der Totalrevision der erfolgte Wertausgleich bei der Scheidung nach dem Tod des geschiedenen Ehegatten unberührt.[3] Zudem ist nicht ausgeschlossen, dass sich nachehezeitliche Wertsteigerungen eines Anrechts nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG auf die Ehezeit auswirken und daher vollumfänglich Grundlage der Hinterbliebenenversorgung bleiben müssen.

Im vorliegenden Verfahren ging es um die Abänderung einer Entscheidung nach § 51 VersAusglG mit dem Ziel, in Anwendung des § 31 Abs. 1 S. 2 VersAusglG nach dem Tod der Ehefrau den Versorgungsausgleich rückgängig zu machen.[4] In dem bei der Scheidung durchgeführten Versorgungsausgleich war zulasten eines Anrechts des Ehemanns zugunsten der verstorbenen Ehefrau ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet worden. Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich rückgängig gemacht und hat im Verfahren den Witwer nicht beteiligt. Dieser bezieht die sogenannte große Witwerrente (§ 46 Abs. 2 SGB VI), die nun nur noch aus den von der Ehefrau erworbenen Entgeltpunkten ohne Zuschlag aus dem Versorgungsausgleich (§ 76 Abs. 2 S. 1 SGB VI) berechnet wird. Der Witwer erfuhr von dem Versorgungsausgleichsverfahren durch den entsprechenden Änderungsbescheid der DRV. Gegen diesen hat er vertreten durch einen für das sozialrechtliche Verfahren mandatierten Anwalt Widerspruch eingelegt. Im Zuge des Widerspruchsverfahrens nahm sein Anwalt Einsicht in die Gerichtsakte des Versorgungsausgleichsverfahrens und erhielt Kenntnis von dem Abänderungsbeschluss. Etwa vier Monate später erhob der Witwer hiergegen Beschwerde. Das Beschwerdegericht hat zwar eine Beschwerdebefugnis des Witwers gesehen, weil er hätte beteiligt werden müssen. Es hat die Beschwerde aber als nicht rechtzeitig erhoben und damit unzulässig verworfen. Die ungeklärte Rechtsfrage, welche Rechtsmittelfrist ab Kenntnisnahme läuft,[5] hat das OLG dahingehend entschieden, dass unter Berücksichtigung des Interesses der übrigen Verfahrensbeteiligten an Rechtssicherheit die Monatsfrist nach § 63 Abs. 1 FamFG maßgeblich ist, die ab Kenntnisnahme von der Entscheidung beginnt. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat das OLG nicht gewährt. Es hat dem Witwer ein Verschulden des Anwalts zugerechnet, der für seinen Mandanten den sichersten Weg hätte wählen und die Beschwerde binnen eines Monats nach Kenntniserlangung erheben müssen.

Der BGH bestätigt zunächst, dass der Witwer gemäß § 59 Abs. 1 FamFG beschwert ist, weil sich in Folge der Entscheidung seine Hinterbliebenenversorgung vermindert und er als Hinterbliebener gemäß §§ 7 Abs. 2 Nr. 2, 219 Nr. 4 FamFG zum Abände...

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