Fraglich ist, wie der Unterhalt zu berechnen ist, wenn der Unterhaltspflichtige mit seiner jetzigen Ehefrau zusammenlebt. Dabei stellt sich vor allem die Frage, ob der insoweit gewährte Splittingvorteil infolge des mit der Unterhaltsrechtsreform eingeführten Gleichrangs auch der ersten Ehefrau zugute kommt. Zudem ist zu klären, in welcher Form der Ersparnis Rechnung zu tragen ist, in deren Genuss der Ehemann und seine jetzige Ehefrau wegen ihres Zusammenlebens kommen.

Nach der Rechtsprechung des BVerfG[100] dürfen steuerliche Vorteile, die in Konkretisierung des Schutzauftrags aus Art. 6 Abs. 1 GG gesetzlich allein der bestehenden Ehe eingeräumt sind, ihr durch die Gerichte nicht wieder entzogen und an die geschiedene Ehe weitergegeben werden. Diese Aussage ist eindeutig. Sie gilt für die Feststellung des Bedarfs genauso wie für die Prüfung der Leistungsfähigkeit. Die Aussage ist entgegen der Auffassung von Gerhardt und Gutdeutsch[101] mit dem durch die Unterhaltsrechtsreform eingeführten Gleichrang in § 1609 Nr. 2 BGB auch nicht obsolet geworden. Zwar hat das BVerfG in der genannten Entscheidung in der Tat auf den Vorrang der geschiedenen Ehe nach § 1582 BGB a.F. verwiesen.[102] Es hat seine Entscheidung, dass der Steuervorteil der neuen Ehe zu verbleiben hat, indes nicht maßgeblich auf diesen Vorrang gestützt. Von daher ist der Splittingvorteil auch nach der Unterhaltsrechtsreform derjenigen Ehe zu belassen, der er gewährt wird.[103]

Zudem ist in Fällen des Zusammenlebens die für das aktuelle Unterhaltsrechtsverhältnis entstehende Ersparnis zu beachten. Diese kann beim Bedarf auf Seiten der geschiedenen Ehefrau mit einer Erhöhung (des nach Steuerklasse 1 berechneten Bedarfs) um 10 % oder (nach den Hammer Leitlinien) einen Anteil von 3,3 statt 3 und auf Seiten der mit dem Unterhaltsverpflichteten zusammenlebenden Ehefrau mit einem Abzug von 10 % bzw. einem Anteil von 2,7 berücksichtigt werden.[104]

Fall 3: V verfügt über ein Einkommen von 4.000 EUR nach Steuerklasse 3 (nach Steuerklasse 1: 3.300 EUR). V ist von der Kinder betreuenden M1 geschieden und hat die ebenfalls ein gemeinsames Kind betreuende M2 geheiratet, mit der er auch zusammenlebt.

[99] Zum – hier nicht besprochenen – begrenzten Realsplitting eingehend Viefhues, FPR 2008, 74.
[100] FamRZ 2003, 1821 (1823).
[101] FamRZ 2007, 778 (779).
[102] BVerfG FamRZ 2003, 1821 (1823).
[103] Ebenso OLG Düsseldorf ZFE 2008, 273; Schürmann, FamRZ 2008, 313 (323); Maurer, FamRZ 2008, 975 (977), Anm.; Brandtner, FamRZ 2008, 2033; Reinken, FPR 2008, 9 (14). Eine weitere Frage ist, ob das auch im Verhältnis zu den unterhaltsberechtigten minderjährigen Kindern gilt, so etwa Schürmann, FamRZ 2008, 313 (322 f.); differenzierend für den Mangelfall OLG Hamm, Beschl. v. 14.3.2008 – 13 UF 148/07; a.A. BGH FamRZ 2008, 968 (970 f.); 2007, 983 (987).
[104] Reinken, FPR 2008, 9 (15); Hammer Leitlinien, Stand 1.1.2008, Ziffer 24.2.2; Gerhardt und Gutdeutsch, FamRZ 2007, 778 (781), bringen beim Pflichtigen und bei der mit ihm zusammenlebenden Partnerin jeweils 5 % in Abzug, was zum gleichen Ergebnis führt.

Lösungsvorschlag:

 
Einkommen V  
Nach Steuerklasse 3 4.000 EUR
Nach Steuerklasse 1 3.300 EUR
Bedarf M1 und M2 jeweils 1/3* (9/10*3.300 EUR) 990 EUR
Korrektur wegen Ersparnis der M2  
M1 990 EUR
zuzüglich 10 % ergibt 1.089 EUR
M2 990 EUR
abzüglich 10 % 891 EUR
Alt. nach Hammer LL  
Bedarf M1 Faktor 3,3 1.089 EUR
Bedarf M2 Faktor 2,7 891 EUR
   
Ergebnis:  
V und M2 haben  
Einkommen nach Steuerklasse 3 4.000 EUR
abzüglich Unterhalt M1 1.089 EUR
Verbleibt 2.911 EUR

Nach dem vorstehenden Muster kann auch verfahren werden, wenn das den Beteiligten des zeitlich nachfolgenden Unterhaltsrechtsverhältnisses zur Verfügung stehende Einkommen deshalb erhöht ist, weil ihnen bezogen auf das erste Unterhaltsrechtsverhältnis nicht prägende Einkünfte zur Verfügung stehen. Der Drittelbedarf ist dann anhand des für beide Unterhaltsberechtigte prägenden Einkommens zu berechnen. Anschließend ist das nicht prägende Einkommen auf die Beteiligten des zweiten Unterhaltsverhältnisses zu verteilen.[106] Ist eine Ehefrau nach Durchführung der Drittelmethode nicht bedürftig, ist der Unterhalt für die andere nach Gerhardt und Gutdeutsch[107] nach der klassischen Methode zu bestimmen.

[105] Ähnlich Reinken, FPR 2008, 9 (15).
[106] Einen anderen Weg gehen Gerhardt und Gutdeutsch, FamRZ 2007, 778 (781 f.): Sie legen zunächst der Bedarfsbestimmung das Gesamteinkommen, also auch das nicht prägende, zugrunde. Für den Fall, dass eine Vergleichsberechnung ergeben sollte, dass der ersten Ehefrau auf diesem Wege mehr zuerkannt wird, als ihr nach dem allein im Innenverhältnis zu ihrem geschiedenen Ehemann maßgeblichen Bedarf zustünde, soll Letzterer entscheidend sein und der "Überschuss" des Drittels auf den Ehemann und die zweite Ehefrau verteilt werden.
[107] FamRZ 2007, 778 (781).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge