Ein bereits seit viel längerer Zeit sehr streitig diskutiertes Problem betrifft die Konkurrenz von genetischem und rechtlichem Vater. Das ist nicht überraschend, denn es scheint kaum möglich, für die Vielfalt der gelebten Familienrealitäten eine einzige, passende Lösung zu finden. Hinzu kommt das Problem, dass der Streit darüber, ob und wann der genetische Vater die Vaterstellung einnehmen kann, von starken Parteinahmen geprägt ist. Die einen sehen den genetischen Vater als "Störenfried", der in die heile Welt der rechtlichen Familie des Kindes eindringen will. Die anderen dagegen meinen, die Mutter dränge den genetischen Vater einfach zur Seite, oder sie habe sogar durch die Eheschließung mit einem anderen Mann dessen Vaterstellung "torpediert".[22] Jedenfalls gibt es in den betreffenden Fällen zwei Männer, die beide väterliche Gefühle gegenüber demselben Kind hegen und dessen rechtlicher Vater sein möchten. Das ist eine für das Kind an sich positiv zu bewertende Situation, was man bei allen Lösungsversuchen nicht vergessen sollte. Wenn man nicht zulassen will, dass ein Kind mehrere Väter haben kann, muss aber entschieden werden, welcher der beiden Kandidaten die rechtliche Vaterschaft erhalten soll. Im Kern geht es hierbei um eine Abwägung der verschiedenen, jeweils grundrechtlich gesicherten Positionen. Denn der genetische Vater fällt ebenso in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG wie der rechtliche Vater.[23] Das BVerfG geht nun davon aus, dass der rechtliche Vater immer dann die stärkere Rechtsposition hat, wenn er mit dem Kind zugleich in einer nach Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Familie lebt. Auf dieser Basis wurde das geltende Recht mit § 1600 Abs. 2 und 3 BGB gestaltet. Es hat sich aber gezeigt, dass die Regelung nicht in jedem Fall den Anforderungen genügt. Im Folgenden sei daher näher erörtert, wie der Diskussionsteilentwurf hier Abhilfe zu schaffen versucht.

[22] Mit dem Begriff Helms, Gutachten zum 71. DJT 2016, F 13; auch schon ders., Die Stellung des potenziellen biologischen Vaters im Abstammungsrecht, FamRZ 2010, 1 ff., 6; ähnlich Coester-Waltjen, Statusrechtliche Folgen der Stärkung der Rechte der nichtehelichen Väter, FamRZ 2013, 1693, 1695 ("austricksen").
[23] BVerfGE 108, 82, 99 = NJW 2003, 2151, mit der terminologischen Differenzierung, dass beide Väter in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG fallen, aber nur einer von ihnen Träger des Elternrechts sein könne.

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