Die Frage der Abänderungslast hängt entscheidend davon ab, ob der Anspruch befristet wird oder nicht: Wird eine Befristung vorgenommen, muss der betreuende Elternteil ein neues Verfahren einleiten, sofern er eine Verlängerung des Anspruchs geltend machen will; wird der Betreuungsunterhalt dagegen unbefristet zuerkannt, muss der Unterhaltsschuldner die Initiative ergreifen. Wie im Ausgangsverfahren entschieden wird, hängt von der Prognostizierbarkeit der weiteren Entwicklung ab, und zwar in Bezug auf das Kind wie hinsichtlich des betreuenden Elternteils. Die untersuchten Fälle machen deutlich, dass sich die Gerichte eher selten zu klaren Prognosen in der Lage sehen, was im Regelfall zur unbefristeten Zuerkennung des Anspruchs führt. Wie bereits im Voraufsatz[75] dargelegt, spricht nichts dagegen, bei einem Kind unter drei Jahren regelmäßig eine Befristung des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt auf die "Basiszeit" vorzunehmen und den Anspruch – ausnahmsweise – nur dann zu verlängern, wenn aktuell schon Verlängerungsgründe hinreichend sicher erkennbar sind. Ist das Kind älter als drei Jahre, bestehen nach wie vor Bedenken gegen die erkennbare Tendenz der Gerichte, von einer Befristung regelmäßig abzusehen, sofern kindbezogene Gründe für die Zuerkennung des Anspruchs maßgeblich sind.[76]

aa) Gegen eine Prognose kann schon die Abschaffung des früheren "Altersphasenmodells" durch den BGH (s.o. unter II. 1) ins Feld geführt werden; denn wenn sich die Betreuungsbedürftigkeit nicht mehr nach einem altersbezogenen Raster, sondern nach den Verhältnissen des Einzelfalls richtet, wird eine Prognose nur schwer zu treffen sein. Soweit in diesem Zusammenhang eine frühere Entscheidung des BGH[77] erwähnt wird, lässt sich auch damit gegen eine Prognostizierbarkeit argumentieren. Denn in der Entscheidung hat sich der BGH gegen eine Befristung ausgesprochen, obwohl dafür seinerzeit in Gestalt des "Altersphasenmodells" eher eine Grundlage gegeben war als nach aktuellem Rechtszustand.

bb) Für eine Prognose spricht Folgendes: Gerade weil es einen altersbezogenen Regelfall nicht mehr gibt und ein Anspruch grundsätzlich nur für die "Basiszeit" zuerkannt wird mit der Möglichkeit, Verlängerungsgründe – als Ausnahmefall – darzulegen, trägt der kindesbetreuende Elternteil für diese Verlängerung die Darlegungs- und Beweislast.

cc) Im Ergebnis spricht mehr dafür, mit Prognosen großzügiger zu sein und verstärkt von einer Befristung des Anspruchs Gebrauch zu machen. Dies folgt schon aus der Sphärentheorie. Von beiden Elternteilen verfügt die Kindesmutter (als der in der Regel betreuende Elternteil) über deutlich mehr Informationen zu Gesundheit, Lernverhalten, Förderungs- und Betreuungsbedarf des Kindes und zu sonstigen Umständen, die im Rahmen der Gesamtabwägung eine Rolle spielen können (z.B. Nähe von Kindergarten oder Schule, Ausgestaltung der örtlichen Betreuungsmöglichkeiten).[78] Damit kann von der Kindesmutter ein substantiierter Vortrag zu etwaigen Verlängerungsgründen eher erwartet werden als (bei einem unbefristeten Anspruch) vom unterhaltspflichtigen Elternteil; denn dieser wohnt nicht selten weit entfernt und hat auch bei regelmäßig praktiziertem Umgang nicht ansatzweise so viele Informationen zu den erwähnte Rahmenbedingungen.

Im Übrigen wird auch sonst im Unterhaltsrecht durchaus häufig mit Prognosen gearbeitet, beispielsweise in Fällen, in denen es um die Durchführung von Erwerbsbemühungen und die Frage geht, ab wann und in welcher Höhe ein erzielbares Einkommen angesetzt werden kann. Auch dort sind Einzelheiten weder zur Entwicklung des Arbeitsmarktes noch in Bezug auf Gesundheit und Erwerbsfähigkeit des Beteiligten vorhersehbar; gleichwohl wird eine Prognose abgegeben und ab einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt ein bestimmtes Einkommen angesetzt.

Dies erscheint auch beim Betreuungsunterhalt sachgerecht, sofern es um ein normal entwickeltes Kind geht. Ausnahmen sollten nur dann gemacht werden, wenn beim Kind Besonderheiten (z.B. in Gestalt von Erkrankung, Lernstörungen oder Entwicklungsverzögerungen) vorliegen; ansonsten kann regelmäßig befristet werden. Der betreuende Elternteil, der an den einschlägigen Einzelheiten "näher dran" ist, ist dann durch die Möglichkeit der Abänderung nach §§ 238, 239 FamFG (früher: § 323 ZPO) hinreichend abgesichert.

Dieses Verständnis der Abänderungslast führt im Ergebnis auch zu einer Justizentlastung. Ohne Befristung ist der – in der Tendenz eher uninformierte – Unterhaltsschuldner gezwungen, sozusagen "ins Blaue hinein" eine Abänderung zu beantragen; ein direkter Auskunftsanspruch hinsichtlich der hier relevanten Faktoren ist kaum erkennbar. Bei vorliegender Befristung muss dagegen der betreuende Elternteil aktiv werden, wenn er eine Verlängerung des Anspruchs erreichen will; er ist deutlich besser über die relevanten Faktoren unterrichtet. Im Ergebnis dürften weniger gerichtliche Verfahren zu erwarten sein, wenn man dem hier vertretenen Standpunkt folgt und sich in der Tendenz für einen verst...

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