Die Veräußerung einer Immobilie, in welcher die Eheleute bis zur Trennung mietfrei gewohnt haben, hat die unterhaltsrechtliche Rechtsprechung schon in vielen Varianten beschäftigt. Der vorliegende Sachverhalt, bei dem der Veräußerungserlös auf einem Bankkonto ohne jeden Zinsertrag belassen wird, ist dagegen für die Rechtsprechung neu, obwohl es verwundert, dass in Zeiten der Niedrig- bzw. Nullzinspolitik nicht schon früher ein solcher Fall bekannt geworden ist. Die vom OLG Nürnberg hierfür gefundene Lösung erscheint auf den ersten Blick vom Ergebnis her nicht unangemessen, da nicht recht einzusehen ist, weshalb der Mann die rd. 567.000 EUR (aus der Veräußerung zweier ihm gehörenden Immobilien) nicht für den Unterhalt der Frau einsetzen muss, soweit ihr Bedarf durch die Veräußerung der Immobilie aufgrund des Wegfalls des geldwerten Vorteils des Mannes aus der mietfreien Nutzung der Wohnung gemindert worden ist. Aber das scheinbar angemessene Ergebnis bedarf einer überzeugenden Begründung. Das Beschwerdegericht meint, dass es sogar zwei Begründungen gebe. Zum einen habe der Mann mit der Veräußerung der Wohnung gegen seine unterhaltsrechtliche Obliegenheit gegenüber der Frau verstoßen. Daher sei es gerechtfertigt, ihm fiktiv den bis zur Veräußerung erzielten tatsächlich gezogenen Wohnwert weiterhin als Teil seines die ehelichen Lebensverhältnisse prägenden Einkommen zuzurechnen. Zum anderen ergebe sich unabhängig von dieser Einkommensfiktion ein Anspruch der Frau ohne eine Kürzung wegen des weggefallenen Wohnwerts, da es nach § 1581 BGB der Billigkeit entspreche, dass der Mann einen Teil des Verkaufserlöses zur Erfüllung seiner Unterhaltspflicht gegenüber der Frau einsetze. Gegen beide Begründungen bestehen durchgreifende Bedenken. Dabei wird hier die zweite Lösung zuerst behandelt, da sie offensichtlich unzutreffend ist und den Blick auf die eigentliche Problematik des Falles nicht verstellen soll.

1. Das Beschwerdegericht verkennt, dass § 1581 BGB einen nach Prüfung des Bedarfs nach § 1578 BGB sowie der Bedürftigkeit nach § 1577 BGB verbleibenden offenen Bedarf der Frau voraussetzt. Bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen kann es in Betracht kommen, dass der Unterhaltsanspruch gemindert wird. Keinesfalls kann die Prüfung der Leistungsfähigkeit nach § 1581 BGB dazu führen, dass der Anspruch über den zuvor ermittelten offenen Bedarf hinaus sogar noch erhöht wird (hier durch anteiligen Einsatz von Kapitalvermögen des Mannes). Das bedeutet, dass die Frage, ob bei der Ermittlung des Bedarfs der Frau ein fiktiver Wohnwert der früheren Ehewohnung bzw. ein mögliches Surrogat dieses Wertes berücksichtigt wird, entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts nicht dahingestellt bleiben kann.

2. Die Annahme, der Mann habe seine unterhaltsrechtliche Obliegenheit gegenüber der Frau verletzt, da er nicht auf die Veräußerung der ihm gehörenden weiteren Immobilie, in der früher seine Eltern gelebt hatten, beschränkt habe, um mit dem Erlös die frühere Ehewohnung zu renovieren, ist rechtlich nicht haltbar. Diese weitere Immobilie hatte die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt, und zwar weder mit hieraus erzielten Einkünften noch durch den Verbrauch des Vermögensstamms. Ihr kann daher unterhaltsrechtliche Bedeutung allein für den Fall der eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen nach § 1581 BGB zukommen. Ein solcher Sachverhalt liegt hier indes nicht vor. Der "spiegelbildlichen Anwendung" des § 1577 Abs. 1 BGB, aus dem hergeleitet wird, dass es dem Unterhaltsberechtigten obliegt, sein Vermögen so ertragreich wie möglich zu verwenden, kann nicht entnommen werden, dass der Pflichtige nicht prägendes Vermögen einzusetzen hat, um Minderungen des Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen auszugleichen. Richtig ist allein, dass die von der Rechtsprechung mit dem Inhalt dieser Bestimmung begründete unterhaltsrechtliche Obliegenheit des Berechtigten hinsichtlich des Umgangs mit einem ihm zur Verfügung stehenden Wohnwert auch auf den Pflichtigen übertragen werden kann, wenn diesem der Wohnwert zu Gute kommt.[1] Damit soll verhindert werden, dass der Umfang der bedarfsprägenden Einkünfte nach den ehelichen Lebensverhältnissen von einem Beteiligten des Unterhaltsrechtsverhältnisses zulasten des anderen Beteiligten verändert wird. Hieraus folgt nicht, dass eine Veräußerung der Immobilie, aus der sich der Wohnwert herleitet, von vornherein ausgeschlossen wäre. Vielmehr kann es beachtliche Gründe sowohl für eine Nichtfortsetzung der bisherigen Eigennutzung der Immobilie als auch für den Verzicht auf deren Vermietung an Dritte geben. Vorliegend ist das Beschwerdegericht offensichtlich selbst davon ausgegangen, dass eine Vermietung der früheren Ehewohnung ohne Behebung des Renovierungsstaus von unstreitig mindestens 150.000 EUR wohl nicht möglich gewesen wäre. Hätte der Mann einen entsprechenden Kredit aufgenommen und in die Renovierung der Immobilie investiert, so würde der Mietertrag sicher...

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