"La mère est sur, le père jamais …"[37] – diese althergebrachte Weisheit und im Übrigen die lapidare Feststellung des § 1591 BGB ("Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat.") haben auch und gerade beim BVerfG dazu geführt, dass es bisher in dessen Grundsatz-Entscheidungen zur Abstammung ausschließlich um die Vaterschaft und insoweit um Feststellung, Anfechtung und Auskunft sowie um den "Scheinvater" und um den "biologischen Vater" ging. Mit Rechtsfragen speziell der "Leihmutterschaft" bzw. mit dem Verbot der "gespaltenen Mutterschaft"[38] oder etwa mit der "heterologen Insemination" hat sich das BVerfG jedenfalls in grundsätzlicher Weise bisher nicht befasst.[39]

Zunächst zum "biologischen Vater": Nach der nominell bis 2004 geltenden Gesetzeslage war dem leiblichen Vater des Kindes (oder demjenigen, der behauptete, leiblicher Vater des Kindes zu sein), anders als demjenigen, der mit der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes verheiratet war und/oder die Vaterschaft anerkannt hatte, weder das Recht eingeräumt, die bestehende rechtliche Vaterschaft anzufechten, noch war er berechtigt, Klage auf Feststellung seiner Vaterschaft zu erheben.[40] Dieser Schlechterstellung des "biologischen Vaters" machte das BVerfG in seinem Beschl. v. 9.4.2003 ein Ende:[41] Das Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG schütze auch das Interesse des leiblichen, aber nicht rechtlichen Vaters, die rechtliche Stellung als Vater einzunehmen. Ihm sei verfahrensrechtlich die Möglichkeit zu eröffnen, die rechtliche Vaterposition zu erlangen, vorausgesetzt, dass der Schutz der familiären Beziehung zwischen dem Kind und seinen rechtlichen Eltern dem nicht entgegenstehe. Jedenfalls dann, wenn zwischen dem "biologischen Vater" und dem Kind eine sozial-familiäre Beziehung bestehe, handele es sich um eine auch von Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Familie. Dagegen verstoße es, den so mit seinem Kind verbundenen biologischen Vater auch dann vom Umfang mit dem Kind auszuschließen, wenn dies dem Wohl des Kindes diene. Die kurz vor Ablauf der vom BVerfG für die Neuregelung gesetzten Frist (30.4.2004) verabschiedete Novellierung des § 1600 BGB trägt diesen Vorgaben des Gerichts fast wortwörtlich Rechnung.[42]

Umgekehrt stellte das Bundesverfassungsgericht 3 Jahre später fest, dass (auch) die novellierten §§ 1600 ff. BGB jedenfalls dem sich aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG folgenden Recht des (rechtlichen) Vaters allein auf Kenntnis der Abstammung des Kindes – ohne Konsequenzen für seine sich aus dem Gesetz ergebende oder von ihm anerkannte Vaterschaft – nicht entsprächen.[43] Der Gesetzgeber habe einen entsprechenden Verfahrensweg zu eröffnen; gleichzeitig hat es das Gericht ausdrücklich gebilligt, dass die Fachgerichte im Ausgangsverfahren die Verwertung heimlich eingeholter genetischer Abstammungsgutachten als Beweismittel, in diesem Fall wegen Verletzung des aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Rechts des Betroffenen Kindes (auf informationelle Selbstbestimmung), als Beweismittel abgelehnt hatten. Der Gesetzgeber hat hierauf mit dem Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren reagiert und in diesem Zusammenhang insbesondere die Voraussetzungen für die Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung (§ 1598a BGB) geregelt.[44]

Eine weitere verfassungsrechtliche Untiefe der novellierten Vaterschaftsanfechtung musste das BVerfG im Blick auf die 2008 ergänzend eingeführte sog. Behördenanfechtung des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB konstatieren.[45] Mit diesem Instrument sollte die Umgehung der gesetzlichen Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts durch Anerkennung der Vaterschaft für ein ausländisches Kind verhindert werden; denn diese Anerkennung hatte beim Kind automatisch den (Abstammungs-)Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit und beim ausländischen Elternteil die Begründung oder Stärkung des Aufenthaltsrechts zur Folge. Das BVerfG qualifizierte die Behördenanfechtung in ihrer seinerzeitigen Fassung jedoch als absolut verbotene Entziehung der Staatsangehörigkeit und dementsprechend als Verletzung des Art. 16 Abs. 1 S. 1 GG, zumal nicht berücksichtigt werde, ob das Kind dadurch staatenlos werde, und weil es außerdem an einer dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts genügenden Regelung des Staatsangehörigkeitsverlusts sowie an einer angemessenen Fristen- und Altersregelung fehle. Und, vor allem: Eine verfassungsrechtliche Elternschaft im Sinne des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG bestehe bei einer durch Anerkennung begründeten rechtlichen Vaterschaft auch dann, wenn der Anerkennende weder der biologische Vater des Kindes sei noch eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind begründet habe. Allerdings hänge die Intensität des verfassungsrechtlichen Schutzes davon ab, ob die rechtliche Vaterschaft auch sozial gelebt werde. – Der Gesetzgeber reagierte auf die gerichtliche Nichtigerklärung der Behördenanfechtung des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB a.F. mit einer präventiven Missbrauchskontrolle,[46...

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