Diese Gesetzeslage trägt der gesellschaftlichen Entwicklung nicht hinreichend Rechnung. Altersvorsorge ist nicht etwas, das auf einen mehr oder weniger weit entfernten Zeitpunkt in der Zukunft hinausgeschoben werden kann, sondern ein Gebot der Stunde. Der Gesetzgeber ordnet an, dass grundsätzlich jeder Arbeitnehmer in der gesetzlichen Rentenversicherung Mitglied sein muss und Beiträge in Höhe von etwa 20 % seines monatlichen Bruttoentgelts, die je zur Hälfte vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer aufzubringen sind, an den Sozialversicherungsträger abgeführt werden müssen. Der Durchschnittsverdiener ist nicht in der Lage, ein Vermögen zu bilden, aufgrund dessen er im Alter angemessen leben kann. Er ist auf eine Altersrente angewiesen.

Die momentanen Bedürfnisse eines Betreuenden können durch Lohnzahlung, aber auch etwa dadurch gedeckt werden, dass der eine der zusammenlebenden Partner für die Lebenshaltungskosten des anderen aufkommt, der den Haushalt führt und ggf. ein Kind betreut. Der für die Betreuungsperson notwendige Aufbau einer Altersvorsorge bleibt dabei aber unberücksichtigt. Ist etwa eine Frau haushaltsführend und kindesbetreuend zehn Jahre tätig gewesen, kann es nicht als billig und gerecht bezeichnet werden, dass der Mann, wenn die Beziehung beendet ist, die während des Zusammenlebens aufgrund seiner Erwerbstätigkeit erworbenen Vorsorgeanwartschaften für sich voll verwenden kann, ohne dass die Frau in irgendeiner Weise für ihre Betreuungsleistungen hinsichtlich ihres Versorgungsdefizits einen Ausgleich erhält. Zu fragen ist, ob der Ausschluss von Betreuungspersonen vom Aufbau einer Altersvorsorge – in der Praxis weit überwiegend Frauen – mit dem Gleichberechtigungsgrundsatz und dem besonderen Schutz der Familie nach der Verfassung zu vereinbaren ist (Art. 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 GG). Überholt ist die Betrachtungsweise, wonach nur die Erwerbsarbeit gegen Bezahlung eine anzuerkennende Leistung ist.

Die unterhaltsrechtlich gleiche Bewertung der Haushaltsführung und der Betreuung eines minderjährigen Kindes mit dem Barunterhalt nach §§ 1360 S. 2, 1606 Abs. 3 S. 2 BGB ändert nichts daran, dass der Betreuende keine Altersvorsorge betreiben kann, während der Barunterhalt Leistende diese mit seinem Erwerbseinkommen schafft, wobei die Kosten seine unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit mindern.

Eine Folge der meist von Frauen übernommenen Betreuung ist, dass diese häufiger als Männer von Altersarmut betroffen sind. Die Solidargemeinschaft hat begonnen, dagegen Maßnahmen zu ergreifen, etwa indem für die Rente Kindererziehungs- und Pflegezeiten berücksichtigt werden. Dies reicht jedoch nicht aus und rechtfertigt es nicht, dass der einzelne durch die Betreuung unmittelbar Begünstigte von einer Beteiligung an den Kosten für die Altersversorgung der Betreuungsperson freigestellt bleibt. Dies gilt auch, wenn die Betreuungsperson selbst stolz, aber etwas unrealistisch im Hinblick auf ihre Bedürfnisse im Alter erklärt, dass sie von niemandem etwas wolle, weil sie selbst für sich aufkomme.

Es ist zu erwägen, ob zwischen der Betreuungsperson und dem Begünstigten aufgrund der Betreuung ein gesetzliches Schuldverhältnis entsteht, das zum Betreuungsausgleich berechtigt und verpflichtet. Dies muss unabhängig davon gelten, ob Betreuung in Form des ohne Gegenleistung geschuldeten gesetzlichen Unterhalts gewährt wird oder als Zuwendung aufgrund eines Vertrags oder auch ohne eine rechtsgeschäftliche Abrede. Betreuung ist eine höchstpersönliche Dienstleistung. Sie setzt Freiwilligkeit des Betreuenden, eine emotionale Zuwendung und eine körperliche Nähe zu dem Betreuten voraus, regelmäßig einen gemeinsamen Haushalt. Es wird ein Vertrauenstatbestand begründet, aufgrund dessen beide Beteiligte füreinander Verantwortung tragen. Wer der Nutznießer der Betreuung ist, kann als verpflichtet angesehen werden, zum Ausgleich für das von ihm mitverursachte Versorgungsdefizit aufseiten der Betreuungsperson beizutragen. Die gegenwärtige Sorge der Betreuungsperson für den Betreuten entspricht dessen Verpflichtung zur Beteiligung an der Altersvorsorge für die Zukunft des Betreuenden.

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