Bei der Untersuchung einschlägiger Entscheidungen[26] ist eine Veränderung dahin festzustellen, dass dem subjektiven Element nunmehr erheblich mehr Gewicht beigemessen wird, was insgesamt zu einer großzügigeren Beurteilung im Rahmen der Prüfung der Sittenwidrigkeit führt, weil ein objektiv nachteiliger Vertragsinhalt nicht reicht. Nunmehr ist – neben der Prüfung des objektiven Vertragsinhalts – zusätzlich eine Gesamtwürdigung vorzunehmen. Nach Vorgabe des BGH ist zu prüfen, "ob der Vertrag eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehegatten widerspiegelt. In solchen Fällen gestörter Vertragsparität ist dem Ehevertrag die Wirksamkeit zu versagen“.[27]"

Das wird als Beginn einer "neuen Disparitätslehre" angesehen.[28]

Noch deutlicher wird das in einer Entscheidung des BGH vom 31.10.2012,[29] der die Heirat einer Krankenschwester mit einem Juristen und späterem Ministerialrat zugrunde lag. Leitsatz 1 dieser Entscheidung lautet:

Zitat

"Ein Ehevertrag kann sich in einer Gesamtwürdigung nur dann als sittenwidrig und daher als insgesamt nichtig erweisen, wenn konkrete Feststellungen zu einer unterlegenen Verhandlungsposition des benachteiligten Ehegatten getroffen worden sind. Allein aus der Unausgewogenheit des Vertragsinhalts ergibt sich die Sittenwidrigkeit des gesamten Ehevertrags regelmäßig noch nicht."

Auch in späteren Entscheidungen wird ausgeführt, dass

Zitat

"das Verdikt der Sittenwidrigkeit in der Regel nicht gerechtfertigt ist, wenn außerhalb der Vertragsurkunde keine verstärkenden Umstände zu erkennen sind, die auf eine subjektive Imparität, insbesondere infolge der Ausnutzung einer Zwangslage, sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit, hindeuten könnten."[30]

[26] S. dazu eingehend Wellenhofer, NZFam 2020, 229; zum Zeitraum 2018 – 2020 s. Milzer, NZFam 2021, 17.
[28] Milzer, NZFam 2014, 773, 774; zur subjektiven Imparität eingehend Wellenhofer, NZFam 2020, 229; Münch, NZFam 2015, 243.
[30] BGH NJW 2013, 457; 2014, 1101; 2015, 52.

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