Steuerrecht in der FF?

Nein – die FF bleibt beim Familienrecht. Die hier vorzustellende Entscheidung[1] des Bundesfinanzhofs ist jedoch für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die neben ihrer anwaltlichen Tätigkeit auch als Verfahrensbeistände die Interessen von Kindern und Jugendlichen wahrnehmen, von großer praktischer Relevanz, weil sie faktisch zu einer Erhöhung der Regelvergütung des Verfahrensbeistands um 19 % – etwa 88 EUR – führt. Nachdem ein großer Anteil der Verfahrensbeistände in ihrer Grundprofession als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt tätig sind,[2] soll die Umsatzsteuerproblematik in der folgenden Anmerkung kurz beleuchtet werden:

1. Um was geht es?

Eine Verfahrensbeiständin hat gegen ihre Umsatzsteuervoranmeldung, in der sie gegenüber dem Finanzamt ihre Umsätze aus der Tätigkeit als Verfahrensbeiständin erklärte, Einspruch eingelegt. Sie hat beantragt, die Umsatzsteuer auf 0 EUR festzusetzen und verwies zur Begründung darauf, dass die Einkünfte eines Verfahrensbeistands nach europäischem Recht – Art. 132 Abs. 1 lit. g, h, i der Richtlinie des Rates 2006/112/EG v. 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) – von der Umsatzsteuer ausgenommen seien. Diese Argumentation hat weder vor dem Finanzamt, dass den Einspruch zurückwies, noch vor dem Finanzgericht Köln verfangen.[3] Mit ihrer Revision hatte sie aber vor dem Bundesfinanzhof Erfolg: Denn das höchste Finanzgericht[4] hat entschieden, dass Art. 132 Ab. 1 lit. g MWStSystRL nicht hinreichend in das nationale Steuerrecht umgesetzt worden sei. Dort heiße es, dass "Dienstleistungen, die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden seien einschließlich derjenigen, die durch (…) Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden", von den Mitgliedstaaten von der Umsatzsteuerpflicht befreit werden.

Die Richter begründen ausführlich, dass unter die danach gewährte Umsatzsteuerfreiheit im Ergebnis auch die Tätigkeit eines Verfahrensbeistandes zu subsumieren sei. Denn die von ihm erbrachten Dienstleistungen seien eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden, weil der Verfahrensbeistand das Interesse und den Willen des Kindes feststelle, beides in das familiengerichtliche Verfahren einführe und seine Arbeit regelmäßig in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Wirken des Jugendamtes im familiengerichtlichen Verfahren stehe. Auch wenn die berufliche Qualifikation des Verfahrensbeistands nicht im Einzelnen geregelt sei, habe der Gesetzgeber mit dem Hinweis in § 158 Abs. 1 FamFG, dass dem Kind ein “geeigneter' Verfahrensbeistand zu bestellen sei – eine Formulierung, der die Rechtsprechung Mindestanforderungen im Hinblick auf Aus- und Vorbildung eines Verfahrensbeistands entnimmt[5] – im Ergebnis zum Ausdruck gebracht, dass die Institution der Verfahrensbeistandschaft als soziale Einrichtung anerkannt sei. Auch wenn in § 158 Abs. 7 Satz 4 FamFG davon die Rede sei, die Vergütung des Verfahrensbeistands von 550 EUR bzw. 350 EUR pro Rechtszug/Kind gelte auch eine hierauf entfallende Umsatzsteuer ab, so führe das nicht dazu, dass die Leistungen des Verfahrensbeistands nicht nach Unionsrecht steuerfrei sein könnten. Denn die Norm besage lediglich, dass die Umsatzsteuer als Bestandteil der Vergütung anzusehen sei, soweit sie auch steuerrechtlich geschuldet sei. Das sei nach Unionsrecht jedoch nicht der Fall.

2. Und was folgt daraus?

Für den berufsmäßig tätigen Verfahrensbeistand erhöht sich im Ergebnis das Entgelt, weil er auf die 550 EUR bzw. 350 EUR Vergütung, die er für die Kindesvertretung je Rechtszug und Kind erhält, keine Umsatzsteuer mehr abführen muss. Deshalb entfällt auch die Notwendigkeit, in der Abrechnung gegenüber der Justizkasse die Umsatzsteuer ausweisen zu müssen. Allerdings sollte der fehlende Umsatzsteuerausweis bis auf weiteres mit einen Hinweis auf die vorliegende Entscheidung verbunden werden, um unnötige Nachfragen zu vermeiden. Soweit beim Finanzamt noch Einspruchsfristen offen sein sollten, kann vom Verfahrensbeistand ein Rechtsmittel gegen bereits erfolgte Umsatzsteuerfestsetzungen eingelegt werden. Aus Gesprächen mit Verfahrensbeiständen ist bekannt, dass manche Finanzämter sich auch auf Verhandlungen mit dem Ziel einlassen sollen, im Hinblick auf die Bundesfinanzhof-Entscheidung bereits bestandskräftige Umsatzsteuerfestsetzungen wiederaufzugreifen – ob das einen Versuch wert ist, muss im Einzelfall entschieden werden.

Für den Gesetzgeber des FamFG mag die Entscheidung dagegen Anlass geben, zu prüfen, ob am zweiten Halbsatz von § 158 Abs. 7 Satz 4 FamFG ("… sowie die auf die Vergütung anfallende Umsatzsteuer …") noch weiter festgehalten werden kann oder ob das nicht zu streichen ist: Letztlich würde damit einer Forderung nachgekommen werden, die bereits 2008, im Gesetzgebungsverfahren zu § 158 FamFG von der FDP erhoben wurde; dass nämlich die Vergütungspauschale unabhängig v...

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