VG Berlin, Urt. v. 28.9.2018 – 3 K 349.16 V, FamRZ 2019, 279 m. Anm. Coester S. 282

1. Die Bestimmung des § 30 Abs. 1 AufenthG dient dem verfassungsrechtlich durch Art. 6 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutz von Ehe und Familie. Grundvoraussetzung des Nachzugsanspruchs ist deshalb eine wirksame Ehe. Maßgebend für deren Beurteilung ist, da es sich um eine Verpflichtungsklage auf Erteilung eines Aufenthaltstitels handelt, grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer.

2. Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB i.d.F. des Art. 2 Nr. 1 Buchst. a des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen v. 17.7.2017 (BGBI. I S. 2429) ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

3. Auch die "hinkende" Ehe unterfällt grundsätzlich dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG, wenn die Ehe nach dem ausländischen Recht wirksam geschlossen ist. Allerdings verkörpern gerade die Ehemündigkeit der Verlobten und das Konsensualprinzip Kernmerkmale des Rechtsinstituts der Ehe.

4. Es bleibt offen, ob eine unter Verstoß gegen die Institutsgarantie des Art. 6 Abs. 1 GG geschlossene Ehe nach Erreichen der Volljährigkeit beider Ehegatten und deren Bekunden, an der Ehe festhalten zu wollen, in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG "hineinwachsen" kann.

5. Allein das Fehlen kollisionsrechtlicher Heilungsmöglichkeiten für "hinkende Ehen" führt nicht zu einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung der Belange des Nachzugswilligen, wenn und soweit die Eheschließung mit Wirkung für den deutschen Rechtskreis wiederholt werden kann.

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