BGB §§ 1615l Abs. 2, 1610, 1570, 1578 Abs. 1 Satz 1

a) Der Unterhaltsbedarf wegen Betreuung eines nichtehelich geborenen Kindes bemisst sich jedenfalls nach einem Mindestbedarf in Höhe des Existenzminimums, der unterhaltsrechtlich mit dem notwendigen Selbstbehalt eines Nichterwerbstätigen (zurzeit 770 EUR) pauschaliert werden darf (im Anschluss an das Senatsurt. BGHZ 177, 272, 287 = FamRZ 2008, 1738, 1743).

b) Hat der Unterhaltsberechtigte keine kind- oder elternbezogenen Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes hinaus vorgetragen, können solche nur insoweit berücksichtigt werden, als sie auf der Grundlage des sonst festgestellten Sachverhalts auf der Hand liegen.

BGH, Urt. v.16.12.2009 – XII ZR 50/08 (OLG Hamm, AG Bocholt)

 
Anmerkung

Anm. der Redaktion: Die Entscheidung ist abgedruckt in FamRZ 2010, 357 m. Anm. Maier.

 
Anmerkung

1. Lebensstellung

Der BGH bestätigt seine frühere Entscheidung,[1] wonach der Bedarf des betreuenden Elternteils nach § 1615 l Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 1610 BGB nicht von dem gegebenenfalls höheren Einkommen des anderen Elternteils beeinflusst wird, und zwar auch dann nicht, wenn die Eltern längere Zeit zusammen gelebt haben (im entschiedenen Fall 10 ½ Jahre, davon 5 ½ Jahre mit dem gemeinsamen Kind). Warum längeres Zusammenleben den Anspruch über die Dreijahresgrenze hinaus verlängern kann, aber dieser Vertrauenstatbestand für die Höhe des Bedarfs unerheblich sein soll, ist nicht einleuchtend. Die Begründung, dass es hier keinen Quotenunterhalt wie unter Ehegatten gebe, d.h. eine grundsätzlich gleiche Teilhabe am Einkommen, ist zwar richtig. Sie ist indes insoweit nicht überzeugend, als der angemessene Unterhalt im Verwandtenunterhaltsrecht nicht völlig losgelöst von der Lage des Verpflichteten einfach zu bestimmen ist. Dies gilt nicht nur im Verhältnis von in Ausbildung befindlichen Kindern zu ihren Eltern, sondern auch sonst.[2]

2. Mindestbedarf

Zutreffend ist es, dem betreuenden Elternteil einen Unterhalt zuzubilligen, der nicht unter dem Existenzminimum liegen darf. Der BGH begründet dies damit, dass der Betreuungsunterhalt die notwendige persönliche Betreuung des Kindes ermöglichen soll, ohne dass dieser gezwungen ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Die Begründung lässt offen, ob die Frau, die infolge einer durch die Entbindung bedingten Krankheit einen Unterhaltsanspruch nach § 1615 l Abs. 2 S. 1 BGB hat, sich mit einem Unterhalt zufriedengeben muss, der unter dem Existenzminimum liegt. Dies ist zu verneinen. Allgemein muss der Verwandtenunterhalt, zu dem der Anspruch nach § 1615 l BGB gehört, vor der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII) mindestens das Existenzminimum decken. Dies wird vom BGH[3] zum Bedarf von Eltern im Verhältnis zu ihrem unterhaltspflichtigen Kind anerkannt. Derselbe Gedanke liegt der Bestimmung des § 1612 a BGB über den Mindestunterhalt minderjähriger Kinder zugrunde.

3. Fehlender Anspruch

Ist der nichteheliche Elternteil des mehr als drei Jahre alten Kindes durch kindes- oder elternbedingte Gründe nicht an einer Erwerbsobliegenheit gehindert, hat er keinen Anspruch auf Unterhalt, auch wenn er wegen Krankheit oder der Lage auf dem Arbeitsmarkt einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen kann. Für den nicht verheirateten Elternteil gibt es keine vergleichbare Anspruchsberechtigung wie nach §§ 1571 ff. BGB für den geschiedenen Ehegatten. Eine solche kann, auch wenn mittelbar das Kindeswohl beeinträchtigt sein sollte – im entschiedenen Fall lag dies nicht vor –, nicht mit einer Analogie zu diesen Vorschriften begründet werden, weil das Ehegattenunterhaltsrecht und die dem Verwandtenunterhaltsrecht zugeordnete Bestimmung des § 1615 l BGB jeweils abschließende Regelungen enthalten. Soweit die Bestimmungen des Betreuungsunterhalts nach § 1570 BGB und § 1615 l BGB wegen des Kindeswohls gleich sind, handelt es sich um parallele Regelungen verschiedener Anspruchsgründe.

Durch die als Folge des Beschlusses des BVerfG[4] v. 17.12.1997 bedingte Neuregelung der §§ 1570, 1615 l BGB durch das UÄndG 2007 (BGBl I S. 3189) wurde nicht beseitigt, dass mit der Eheschließung die Ehegatten füreinander und für ihre gemeinsamen Kinder eine Verantwortung übernehmen, die über die von nicht miteinander verheirateten Eltern hinausgeht. Angleichende Regelungen aus Gründen des Kindeswohls können die Auswirkungen dieser Verschiedenheit zwar verkleinern, aber nicht völlig aufheben, solange die Ehe gegenüber der nichtehelichen Lebensgemeinschaft oder sonstigen Verbindung als besonderes Rechtsinstitut anerkannt ist.

4. Mindestunterhalt und eheliche Lebensverhältnisse

Zu den Folgen der Anerkennung eines Mindestunterhalts für den nichtehelichen betreuenden Elternteil nach §§ 1615 l, 1610 BGB für die Bemessung des Betreuungsunterhalts nach § 1570 BGB und allgemein des Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen äußert sich der BGH in dem Sinn, dass dieselben Gründe, die im Rahmen des Betreuungsunterhalts für einen am Existenzminimum orientierten Mi...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge