Diese Entscheidung des KG hat in den Medien große Aufmerksamkeit gefunden. Zu Recht?

"Nach Inkrafttreten des neuen Unterhaltsrechts zum 1.1.2008 ist der Mutter eines Kindes, das die vierte Grundschulklasse besucht, zuzumuten, innerhalb einer Übergangsfrist von sechs Monaten eine (fiktive) halbschichtige Tätigkeit auf eine Vollzeittätigkeit auszudehnen", so das AG Mönchengladbach in einer Entscheidung vom 18.1.2008.[2] Entscheidungen wie diese mögen bei manchem Unterhaltsschuldner Hoffnungen geweckt haben, die sich so einfach wohl nicht erfüllen werden.

Anders hört sich da schon der BGH an, wenn er – immerhin in einem Fall wegen Betreuungsunterhalts für eine nicht verheiratete Mutter – feststellt: "Bei der Ermessung der Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils ist zu beachten, ob der ihm neben oder nach der Erziehung und Betreuung in staatlichen Einrichtungen verbleibende Anteil an der Betreuung und Erziehung des Kindes in Verbindung mit einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit zu einer überobligationsmäßigen Belastung führen würde."[3] Aus dem Vorrang des Kindesunterhalts gem. § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB entwickelt der BGH in dieser Entscheidung das Recht des betreuenden Elternteils, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit jedenfalls dann nicht nachzugehen, wenn dies neben der Betreuung und Erziehung des Kindes zu einer überobligationsmäßigen Belastung führt. Dies soll nach BGH ein Gesichtspunkt sein, der sich für eine pauschalierende Betrachtung eignet, während kindbezogene Gründe, die eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts nach Ablauf des Drei-Jahres-Zeitraums aus § 1570 Abs. 1 BGB gebieten, immer im Einzelfall konkret zu prüfen sind.

Das KG ist in seiner Entscheidung vom 8.1.2009 diesem vom BGH eingeschlagenen Weg gefolgt. Seine gründlichen Ausführungen zu den Intentionen des Gesetzgebers bei der Neuregelung des Betreuungsunterhalts und deren Anwendung auf das von der Rechtsprechung entwickelte früher gültige Altersphasenmodell sind zutreffend.

Das KG prüft dann sorgfältig die kindbezogenen und elternbezogenen Gründe, die für und gegen eine Ausweitung der Erwerbstätigkeit der betreuenden Mutter sprechen und kommt zu einem nachvollziehbaren, nicht zu beanstandenden Ergebnis.

Entscheidungen wie diese des KG werden dem Alltag berufstätiger, kinderbetreuender Mütter (Väter sind hier wohl immer noch eine zu vernachlässigende Größe) gerecht. Wer diese Gerechtigkeit will, darf nicht die Augen verschließen davor, wie der Alltag einer solchen Familie gestaltet ist. Bei Hortbetreuung bis 18.00 Uhr sind Mutter und Kind vermutlich seit elf Stunden (Schulweg, Schulbeginn um 7.30 Uhr) unterwegs. Der Heimweg dauert. Die in oder statt der Mittagspause getätigten Einkäufe schleppt die Mutter in der einen, das Kind nebst Gepäck an der anderen Hand auf dem noch zu absolvierenden Heimweg. Zu Hause wendet die Mutter sich zunächst nicht liebevoll dem Kind, sondern dem zu bereitenden Abendessen zu. Davor, dabei und danach nimmt sie sich selbstverständlich gern Zeit für Berichte, Fragen und Sorgen des Kindes. Selbstverständlich wird gemeinsam ein Blick auf die im Hort sorgfältig erledigten Hausaufgaben und den Stundenplan des nächsten Tages geworfen. Das bisschen Haushalt erledigt die Mutter selbstverständlich mit links, nachdem das Kind zu Bett gegangen ist. Danach hat sie dann sicher Anspruch auf Freizeit und Regeneration und irgendwann auch auf die erste Mutter-Kind-Kur, die dann nicht der Unterhaltspflichtige, sondern die Allgemeinheit zahlt.

Bitte keine Missverständnisse: Mütter müssen, wenn sie nicht zeitlebens für ihren Lebensunterhalt auf Unterstützung Dritter angewiesen sein wollen, zusehen, dass sie nach Mutterschutz und ggf. Elternzeit wieder in den Beruf zurückfinden. Es führt nicht weiter, die durch § 1570 Abs. 1 BGB gegebene Wahlfreiheit in jedem Fall zu Gunsten der Betreuung auszuüben. Dies darf jedoch nicht dazu führen, im Einzelfall die berechtigten Belange des Kindes zu vernachlässigen und Raubbau an den eigenen Kräften und Ressourcen zu betreiben. Im Streitfall hier eine ausgewogene Lösung zu finden, wird Aufgabe der Justiz sein. Sie ist dazu, wie die Entscheidung des KG zeigt, durchaus bereit und in der Lage.

Nach der Reform ist vor der Reform: Vielleicht wäre es doch klarer, einfacher und stringenter, den Anspruch auf Betreuungsunterhalt als Teil des Unterhaltsanspruchs des Kindes auszugestalten, was vielleicht auch – frommer Wunsch – zur Akzeptanz beim Unterhaltspflichtigen führen könnte.

Jutta Wagner, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht, Berlin

[2] Vgl. FF 2008, 212 ff.
[3] Vgl. FF 2008, 366 ff.

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