Bei einstweiligen Anordnungen in Familiensachen greift ebenfalls § 26 FamFG, so dass auch hier alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung ausgeschöpft werden müssen.[62] So sind grundsätzlich auch alle Anhörungen, die im besonderen Teil des FamFG, etwa in Kindschaftssachen, vorgesehen sind, auch im Eilverfahren geboten.[63] Gleiches gilt z.B. für die Bestellung eines Verfahrensbeistandes nach § 158 FamFG.[64] Eine Grenze besteht nach § 51 Abs. 2 Satz 1 FamFG durch die "Besonderheiten des einstweiligen Rechtsschutzes", womit nach dem Gesetzgeberwillen die Eilbedürftigkeit und das herabgesenkte Beweismaß gemeint sind.[65] Daher wird, wie der Gesetzgeber es formuliert, die "Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens im Regelfall nicht in Betracht" kommen, womit dies in Ausnahmefällen durch den Gesetzgeber aber durchaus mit dem Charakter des Eilverfahrens für vereinbar gehalten wird.[66] Diese Rechtslage steht in Einklang mit Art. 6 Abs. 2 und 3 GG, wonach ebenfalls regelmäßig auch bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen wie Sorgerechtsentzügen oder Umgangsausschlüssen kein Sachverständigengutachten eingeholt werden muss.[67] Dies kann dann anders sein, wenn der Sachverhalt noch sehr unklar ist und schwere Grundrechtseingriffe zur Disposition stehen (z.B. die erwähnten Sorgerechtsentzüge und Umgangsausschlüsse). Auch wenn in einem Kinderschutzverfahren der drohende Schaden für das Kind eher gering ausfallen dürfte oder eher in weiterer Ferne liegt, gebieten die Elternrechte aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG hohe Anforderungen an die Maßnahmen der Sachverhaltsaufklärung.[68] In diesen Fällen sollte an die Einholung eines mündlichen Gutachtens gedacht werden, wenn dies im Einzelfall möglich und noch mit dem Charakter des Eilverfahrens vereinbar ist. Der Gesetzgeberwille schließt dies nicht aus.

[62] Sternal/Giers, 21. Aufl. 2023, FamFG § 51 Rn 18; Prütting/Helms/Dürbeck, FamFG, 5. Aufl. 2020, § 51 Rn 7; MüKo-FamFG/Soyka, 3. Aufl. 2018, § 51 Rn 9.
[63] Prütting/Helms/Dürbeck, FamFG, 5. Aufl. 2020, § 51 Rn 8.
[64] OLG Brandenburg FamRZ 2019, 906; OLG Saarbrücken NZFam 2018, 1041; Prütting/Helms/Dürbeck, FamFG, 5. Aufl. 2020, § 51 Rn 8.
[65] BT-Drucks 16/6308, S. 200. Vgl. dazu auch Prütting/Helms/Dürbeck, FamFG, 5. Aufl. 2020, § 51 Rn 9.
[66] BT-Drucks 16/6308, S. 200.
[67] BVerfG FamRZ 2023, 944; BVerfG FamRZ 2018, 1084.
[68] BVerfG FamRZ 2014, 1005; BVerfG NZFam 2016, 189; BVerfG FamRZ 2023, 944.

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