Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweilige Anordnung in Kindschaftssachen - Notwendigkeit eines Verfahrensbeistandes bei Beendigung des Wechselmodells; Entscheidungsmaßstab

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 158 FamFG gilt grundsätzlich auch im Eilverfahren (vgl. Kemper/Schreiber, Familienverfahrensrecht, FamFG § 158 Rn. 4, beck-online). Dementsprechend hat das Gericht dem minderjährigen Kind - und zwar grundsätzlich auch in einstweiligen Anordnungsverfahren (§ 51 Abs. 2 Satz 1 FamFG) - wegen § 158 Abs. 2 Nr. 3 FamFG einen Verfahrensbeistand zu bestellen, wenn ein zuvor geregeltes Wechselmodell durch gerichtliche Entscheidung beendet und das Kind in die Obhut nur noch eines Elternteils gegeben werden soll (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 10. September 2018 - 6 UF 100/18 -, juris).

2. Wird von der Bestellung eines Verfahrensbeistandes in den in § 158 Abs. 2 FamFG aufgeführten Regelfällen abgesehen, ist dies nach Abs. 3 Satz 3 dieser Bestimmung in der Endentscheidung nachprüfbar zu begründen. Wird das Absehen von der Bestellung nicht oder nur unzureichend begründet, liegt darin ebenso wie in dem Unterbleiben der Beistandsbestellung selbst ein wesentlicher Verfahrensverstoß, der im Beschwerdeverfahren zur Aufhebung der Hauptsacheentscheidung führen kann (vgl. Zorn in: Bork/Jakobi/Schwab, FamFG, 2. Aufl., § 158, Rn. 16 m.w.N.).

3. Das dringende Bedürfnis zum sofortigen, einstweiligen Einschreiten (§ 49 Abs. 1 FamFG) besteht, wenn eine Folgenabwägung ergibt, dass die Nachteile, die für die Rechte und Interessen der Beteiligten entstehen, wenn die einstweilige Anordnung unterbleibt, die Hauptsache aber im Sinne des jeweiligen Antragstellers entschieden würde, schwerer wiegen als die Nachteile, die durch vorläufige Maßnahmen eintreten können, die aber aufzuheben und rückabzuwickeln sind, wenn sich dessen Antrag in der Hauptsache als erfolglos erweisen sollte (vgl. Senat, Beschluss vom 20. August 2018 - 13 UF 101/18 -, juris). Dabei kann in Betracht kommen, im Rahmen der einstweiligen Anordnung derjenigen Handhabung den Vorzug zu geben, die in größtmöglichem Umfang die bisher maßgeblichen Faktoren für die Obhut und Erziehung des Kindes beibehalten (vgl. Senat, Beschluss vom 03. August 2018 - 13 UF 111/18 -, Rn. 13, juris).

 

Verfahrensgang

AG Nauen (Aktenzeichen 24 F 226/18)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nauen vom 26.11.2018 aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Im Übrigen obliegt dem Familiengericht die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Wert des Beschwerdeverfahrens: 1.500 EUR

II. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Antragsgegner wendet sich gegen die einstweilige Übertragung des Schulwahlrechts für seine Tochter auf deren Mutter, die Antragstellerin, dessen Übertragung er auf sich erstrebt. Zugleich erbittet er die Aussetzung der Vollziehung des diesbezüglichen amtsgerichtlichen Beschlusses vom 26.11.2018.

Die in Scheidung lebenden Antragsbeteiligten sind die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern der am 30.09.2013 geborenen Yvaine, haben sich im November 2016 getrennt, und betreuen ihre Tochter im Wechselmodell.

Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist (49 ff), hat das Amtsgericht die Entscheidungsbefugnis über die Schulwahl im Wege der einstweiligen Anordnung der Antragstellerin übertragen. Bei der Anmeldung des Kindes in der von der Mutter favorisierten Grundschule in Falkensee seien die Kindesbelange besser gewahrt, als bei einer Anmeldung in einer Berliner Grundschule.

Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt der Antragsgegner die Übertragung des Schulwahlrechts auf sich uneingeschränkt weiter. Er beanstandet die unterlassene Anhörung des Kindes und die Bezugnahme auf eine bereits länger zurückliegende Anhörung als verfahrensfehlerhaft und favorisiert nunmehr eine neu gewählte Grundschule in Berlin, durch deren Auswahl dem Kindeswohl deutlich besser zu entsprechen sei. Zuletzt erbittet er in Ansehung einer fehlenden Bestellung eines Verfahrensbeistandes die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache.

Dass Jugendamt favorisiert die Beibehaltung des Wechselmodells und spricht sich für eine Schulwahl aus, die die Kontakte des Kindes mit seinen Schulfreunden zulässt und die damit verbundenen Schulwege für beide Eltern bewältigbar hält.

Die Beschwerdegegnerin verteidigt den angefochtenen Beschluss und tritt dem Zurückverweisungsantrag entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat, dem die Akten des Amtsgerichts Nauen 24 F 71/17, 24 F 289/17 und 24 F 98/18 vorlagen, auf den Schriftsatzwechsel im Beschwerdeverfahren sowie auf se...

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