Obschon beide Verfahrensarten vom Amtsermittlungsgrundsatz beherrscht werden, können Gerichte in Antragsverfahren nur auf Antrag eines Antragsberechtigten eine Entscheidung treffen. Die Erforderlichkeit eines Verfahrensantrags ist die gesetzlich normierte Ausnahme zu dem Grundsatz, dass eine Familiensache immer von Amts wegen durch das Gericht eingeleitet werden kann.[113] Bezüglich des Antrags ist wiederum der Verfahrensantrag vom Sachantrag zu unterscheiden. Ersterer ist Verfahrens- bzw. Zulässigkeitsvoraussetzung[114] und damit in jedem Stadium des Verfahrens – auch in der Rechtsmittelinstanz – durch das Gericht zu prüfen.[115] Das Gericht muss nach § 28 Abs. 2 FamFG auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinwirken, und bei Fehlern Gelegenheit zur Nachbesserung geben. Der Verfahrensantrag nach § 23 FamFG entspricht der Klage nach der ZPO.[116] § 23 FamFG regelt nur die Anforderungen an einen Verfahrensantrag, trifft aber keine Aussage über dessen generelle Notwendigkeit. Ob ein Verfahrensantrag notwendig ist, ergibt sich aus materiellem Recht (z.B. §§ 29, 2353 BGB; §§ 1, 2 GewSchG; § 5 Abs. 1 Satz 2 THuG) oder aus dem Verfahrensrecht (z.B. § 203 Abs. 1 FamFG bei Haushaltssachen; § 223 FamFG beim schuldrechtlichen Versorgungsausgleich), in welchem sich zudem zusätzliche, über § 23 FamFG hinausgehende Anforderungen an den Verfahrensantrag finden können (z.B. Anträge nach §§ 155, 155a; § 171 Abs. 2, § 203 Abs. 2 und 3, 352, 363 Abs. 3, 417 Abs. 2 FamFG; § 1752 Abs. 2 Satz 2 BGB, wonach sogar die notarielle Beurkundung des Antrags nötig ist).[117]

Vom Verfahrensantrag zu unterscheiden ist der Sachantrag.[118] Dieser bestimmt den Gegenstand des Verfahrens und begrenzt diesen zugleich.[119] Das Gericht ist wie im Rahmen des § 308 ZPO an den Antrag gebunden und darf nicht über diesen hinaus gehen.[120]

Innerhalb der Antragsverfahren muss wiederum zwischen den echten Antragsverfahren und den unechten Antragsverfahren unterschieden werden.[121] In den echten Antragsverfahren besteht eine volle Dispositionsbefugnis über den Verfahrensgegenstand,[122] so dass dieser für erledigt erklärt,[123] zurückgenommen (§ 22 FamFG)[124] oder durch Vergleich (§ 36 FamFG)[125] bzw. nach § 22 Abs. 3 FamFG auch durch sog. übereinstimmende Beendigungserklärungen[126] für beendet erklärt werden kann. In den sog. unechten Antragsverfahren[127] können die Beteiligten demgegenüber über das einmal eingeleitete Verfahren nicht mehr disponieren.[128]

[113] MüKo-FamFG/Ulrici, 3. Aufl. 2018, § 23 Rn 6.
[114] Es kommt also bei unklaren Anträgen auch eine Zurückweisung des Antrags als unzulässig in Betracht, vgl. Prütting/Helms/Ahn-Roth, FamFG, 5. Aufl. 2020, § 23 Rn 19. Dies ist besonders dann zu beachten, wenn neben § 23 FamFG noch spezielle Anforderungen an den Antrag durch das materielle oder das Verfahrensrecht gestellt werden, vgl. dazu sogleich.
[115] Prütting/Helms/Ahn-Roth, FamFG, 5. Aufl. 2020, § 23 Rn 3.
[116] MüKo-FamFG/Ulrici, 3. Aufl. 2018, § 23 Rn 5; BeckOK FamFG/Burschel/Perleberg-Kölbel, 47. Ed. 1.8.2023, § 23 Rn 16. Damit gelten auch die aus der ZPO bekannten Einschränkungen, z.B. dass Anträge nicht bedingt gestellt werden dürfen, es sei denn, es handelt sich um eine sog. innerprozessuale Bedingung, vgl. MüKo-FamFG/Ulrici, 3. Aufl. 2018, FamFG § 23 Rn 7. Dagegen wird in der Praxis immer noch häufig bei VKH-Anträgen verstoßen, wobei der Verfahrensantrag in unzulässiger Weise unter die Bedingung der Bewilligung von VKH gestellt wird, vgl. BGH FamRZ 2011, 29; BGH NJW-RR 2003, 1558; BGH FamRZ 2001, 1703.
[117] Prütting/Helms/Ahn-Roth, FamFG, 5. Aufl. 2020, § 23 Rn 20; MüKo-FamFG/Ulrici, 3. Aufl. 2018, § 23 Rn 6.
[118] Nicht in jedem Fall, in dem ein Verfahrensantrag zur Verfahrenseinleitung notwendig ist, muss auch ein Sachantrag gestellt werden. Dies richtet sich nach der jeweiligen materiellen Rechtsnorm. Z.B- bedarf es im Falle der §§ 33, 34 VersAusglG eines Verfahrensantrags, aber keines bezifferten Sachantrags. Vgl. dazu Dutta/Jacoby/Schwab, FamFG, 4. Aufl. 2022, § 23 Rn 5.
[119] Prütting/Helms/Ahn-Roth, FamFG, 5. Aufl. 2020, § 23 Rn 2a; MüKo-FamFG/Ulrici, 3. Aufl. 2018, § 23 Rn 11.
[120] MüKo-FamFG/Ulrici, 3. Aufl. 2018, § 23 Rn 14; Dutta/Jacoby/Schwab, FamFG, 4. Aufl. 2022, § 23 Rn 4. Aus dem materiellen Recht ergibt sich, ob es nur die Alternativen Antragsstattgabe oder – abweisung gibt (z.B. Erbscheinsverfahren) oder ob das Gericht qualitativ hinter einem Antrag zurückbleiben kann (z.B. § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB: Übertragung nur des Aufenthaltsbestimmungsrechts statt der gesamten elterlichen Sorge). Vgl. dazu BeckOK FamFG/Burschel/Perleberg-Kölbel, 47. Ed. 1.8.2023, FamFG, § 23 Rn 7.
[121] Vgl. dazu die Aufzählung bei Prütting/Helms/Ahn-Roth, FamFG, 5. Aufl. 2020, vor §§ 23, 24 Rn 3.
[122] Prütting/Helms/Ahn-Roth, 5. Aufl. 2020, FamFG, § 22 Rn 7.
[123] Übereinstimmende Erledigungserklärungen beenden das Verfahren, wobei diese Erklärungen teilweise als Erklärungen nach § 22 Abs. 3 FamFG angesehen werden sollen, da das FamFG die...

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