VersAusglG § 27

Leitsatz

1. Bei einer Trennungszeit von 2/3 der Ehezeit kann von einer Versorgungsgemeinschaft der Ehegatten, die Grundlage des Gedankens des Versorgungsausgleichs ist, nicht mehr ausgegangen werden, vielmehr ist, sofern konkrete Anhaltspunkte nicht entgegenstehen, ohne Weiteres anzunehmen, dass die Eheleute ihre Versorgungsgemeinschaft endgültig und nachhaltig aufgehoben und sich wirtschaftlich verselbstständigt haben.

2. Im Falle einer langen Trennungszeit sollen im Rahmen der Abwägung nach § 27 VersAusglG grundsätzlich die Zeiten nicht ausgeschieden werden, in denen der Ausgleichsberechtigte gemeinschaftliche minderjährige Kinder betreut hat (Anschluss an BGH, Beschl. v. 28.9.2005 – XII ZB 177/00 m.w.N.).Der Versorgungsausgleich findet in diesen Fällen seine Legitimation darin, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte mit der Pflege und Erziehung gemeinschaftlicher Kinder auch ohne gemeinsame Lebensführung mit dem anderen Ehegatten eine aus der Ehe herrührende Aufgabe allein übernimmt.

(Leitsätze des Red.)

OLG Dresden, Beschl. v. 17.12.2020 – 18 UF371/20 (AG Meißen)

Aus den Gründen

Gründe: I. [1] Die beteiligten Eheleute haben am 17.7.1987 geheiratet, am 13.7.1988 wurde ihr gemeinsamer Sohn geboren. Seit Juli 1998 leben sie voneinander getrennt. Der Scheidungsantrag wurde am 8.5.2019 zugestellt.

[2] Der Antragsteller beantragt, den Versorgungsausgleich zu beschränken. Wegen der langen Zeit des Getrenntlebens solle der Ausgleich auf die während der Zeit des Zusammenlebens erworbenen Anrechte in der Rentenversorgung begrenzt werden, maximal bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres des gemeinsamen Kindes. Die Antragsgegnerin ihrerseits hat zunächst gleichfalls eine Einigung dahingehend angeregt, dass ein Ausgleich nur hinsichtlich der bis zum 14. Geburtstag des Kindes erworbenen Anrechte durchgeführt werden sollte. Mit Schriftsatz vom 7.1.2020 erklärte sie, der Ausgleich müsse sich auf den Zeitraum bis zur Volljährigkeit des Kindes erstrecken. Hiermit war der Antragsteller nicht einverstanden und beantragte zuletzt, den Ausgleich nur hinsichtlich der Zeit bis zur Trennung im Juli 1998 durchzuführen. Er meint, die Berücksichtigung von nach 1998 erworbenen Anrechten im Versorgungsausgleich sei grob unbillig.

[3] Das Familiengericht hat mit Beschl. v. 24.2.2020 die Ehe der Beteiligten geschieden und das Verfahren zum Versorgungsausgleich abgetrennt. Mit Beschl. v. 29.4.2020 hat es sodann den Versorgungsausgleich durchgeführt und sämtliche während der Ehezeit erworbenen Anrechte der Beteiligten im Wege der Halbteilung geteilt. Die lange Trennungszeit gebiete eine Beschränkung nicht; es habe jederzeit zur Disposition der Eheleute gestanden, die Ehezeit durch Stellung eines Scheidungsantrags zu beenden. Auf die Begründung der familiengerichtlichen Entscheidung wird Bezug genommen.

[4] Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit der Beschwerde. Er macht weiterhin geltend, die Durchführung des Versorgungsausgleichs sei angesichts der seit langem nicht mehr bestehenden Lebensgemeinschaft grob unbillig.

[5] Der Senat hat mit Verfügung vom 4.9.2020 darauf hingewiesen, dass er sich grundsätzlich der Rechtsprechung anschließe, die in Fällen eines außergewöhnlichen zeitlichen Verhältnisses zwischen ehelichem Zusammenleben und Getrenntleben einen teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs in Betracht zieht, dies allerdings nicht für die Zeit vor Vollendung des 18. Lebensjahres des jüngsten gemeinsamen Kindes.

[6] Beide Beteiligte haben sich mit einer Beschränkung des Versorgungsausgleichs auf die Zeit bis zum 31.7.2006 einverstanden erklärt.

II. [7] Die zulässige Beschwerde hat in der Sache insoweit Erfolg, als der Versorgungsausgleich nicht hinsichtlich sämtlicher in der Ehezeit erworbener Anrechte, sondern nur hinsichtlich der bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des gemeinsamen Kindes erzielten Anwartschaften durchzuführen ist.

[8] Der Versorgungsausgleich bezweckt die gleiche – im Regelfall hälftige – Teilhabe beider Ehegatten an dem in der Ehe erworbenen Altersvorsorgevermögen und stellt eine gesetzlich geregelte Weitergeltung der ehelichen Solidarität auch nach Trennung und Scheidung dar. Er findet gemäß § 27 VersAusglG nur dann ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Die an eine grobe Unbilligkeit zu stellenden Anforderungen sind hoch; sie liegen regelmäßig nur dann vor, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es nicht nur rechtfertigen, sondern gar gebieten, von der Halbteilung abzusehen. Insoweit stellt § 27 VersAusglG das Gerechtigkeitskorrektiv für die Fälle dar, in denen die starre Durchführung des Versorgungsausgleichs dem Grundgedanken, eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit insgesamt erworbenen Versorgungsanwartschaften zu gewähren, in unerträglicher Weise widerspräche.

[9] Zwar führt eine lange Trennungsdauer nicht notwendig dazu, dass der Versorgungsausgleich im Hinblick auf die nach der Trennung erworbenen Anteile von Anrechten unbillig ist. Allerdi...

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