1. Entziehung des Umgangsbestimmungsrechts

Als neuere Entwicklung ist in der familiengerichtlichen Praxis zu beobachten, dass bei lang andauernden, hoch konflikthaften Umgangsstreitigkeiten das Familiengericht den Kindeseltern das Umgangsbestimmungsrecht entzieht.

Die Zulässigkeit einer gerichtlichen Anordnung einer Umgangsbestimmungspflegschaft ist durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mittlerweile anerkannt.[77] Allerdings werden in der Praxis nicht selten die hohen materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Hürden (Kindesanhörung, Verfahrensbeistand, Anhörung der Kindeseltern, ggf. Sachverständigengutachten) für eine solche Entscheidung verkannt. Die Erfüllung dieser Anforderungen ist häufig mit einem erheblichen Zeitaufwand im Verfahren verbunden, ein Umstand, der im Hinblick auf die effektive Durchsetzung des Umgangsrechts problematisch ist.

Der Entzug des Umgangsbestimmungsrechts als Teil der Personensorge setzt die Bejahung einer nach § 1666 Abs. 1, 3 Nr. 6 BGB nicht anders abwendbaren erheblichen und konkreten Kindeswohlgefährdung voraus.[78] Maßnahmen nach § 1684 BGB (Umgangsregelung, Umgangspflegschaft) sowie wohl auch Vollstreckungsmaßnahmen nach § 89 FamFG dürften als mildere Maßnahmen vorrangig zu ergreifen sein.[79]

Trotz des Entzugs des Umgangsbestimmungsrechts und der Übertragung dieses Rechts auf einen Pfleger, ist das Familiengericht gehalten, eine vollstreckbare Umgangsregelung zu schaffen.[80] Denn nur mit dieser kann eine vom Umgangsbestimmungspfleger getroffene Regelung auch ggf. mit staatlichem Zwang durchgesetzt werden.[81]

M.E. sind die praktischen Vorteile einer Entziehung des Umgangsbestimmungsrechts eher gering. Denn bei hochkonflikthaften Umgangsstreitigkeiten ist das Problem weniger, dass es an einer Umgangsregelung fehlt, sondern dass diese nicht befolgt wird.[82] Inwieweit die Einschaltung eines Umgangsbestimmungspflegers im Interesse des Kindeswohls Vorteile bringen soll, liegt nicht ohne Weiteres auf der Hand. Denn sowohl zur Schaffung einer Umgangsregelung als auch zu deren Durchsetzung muss ohnehin das Familiengericht wieder eingeschaltet werden.[83]

[77] BGH FamRZ 2016, 1752, Rn 44.
[78] Dürbeck, ZKJ 2018, 22.
[79] Dürbeck, ZKJ 2018, 22; BGH FamRZ 2016, 1752, Rn 47; OLG Frankfurt FamRZ 2017, 1841; OLG Koblenz FamRZ 2017, 301; AG Flensburg, Beschl. v. 16.11.2016 – 90 F 179/15, juris.
[80] BVerfG FamRZ 2009, 1472; AG Flensburg, Beschl. v. 16.11.2016 – 90 F 179/15, juris; Vogel, FF 2016, 441, 445.
[81] Dürbeck, ZKJ 2018, 22.
[82] Vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 6.6.2017 – 9 UF 190/16, juris; OLG Frankfurt FamRZ 2016, 246.
[83] Vogel, FF 2016, 441, 445; OLG Stuttgart NJW 2014, 3525.

2. Herbeiführung eines Aufenthaltswechsels des Kindes

Neben der Möglichkeit, Umgangstitel mithilfe von Ordnungsgeld/Ordnungshaft gemäß § 89 FamFG durchzusetzen,[84] kann – unter sehr engen Voraussetzungen – der bisher nicht betreuende Elternteil versuchen, einen dauernden Wechsel des Aufenthalts des Kindes in seinen Haushalt umzusetzen.[85] Denn eine beharrliche, sachlich unbegründete Umgangsverweigerung stellt die Erziehungseignung des betreuenden Elternteils infrage und gefährdet das Kindeswohl.[86]

Allerdings muss bei Eingriffen in die elterliche Sorge in besonderem Maße der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet werden. Zur Beseitigung der Kindeswohlgefährdung kommt nur das relativ mildeste Mittel in Betracht.[87] Eine Neureglung stellt die absolute Ultima Ratio dar, wenn andere Mittel zur Erzwingung des Wohlverhaltens des betreuenden Elternteils versagt haben.[88] Dies bedeutet, dass eine Änderung des Sorgerechts frühestens dann infrage kommt, wenn weder eine Verhängung von Ordnungsmitteln noch die Anordnung einer Umgangspflegschaft zur Änderung des Verhaltens des betreuenden Elternteils geführt haben.[89] Auch bei der Wahl als mildestes Mittel hat ein Eingriff in das Sorgerecht zu unterbleiben, wenn dieser mit anderweitigen Beeinträchtigungen des Kindeswohls einhergeht und bei einer Gesamtbetrachtung zu keiner Verbesserung der Situation des gefährdeten Kindes führt.[90]

Darüber hinaus muss der Verstoß gegen das Wohlverhaltensgebot ein erhebliches Maß erreicht haben. Bloße Schwierigkeiten bei der Gewährung des Umgangsrechts reichen nicht aus.[91]

Ferner sind die Bindungen des Kindes an den betreuenden Elternteil und der Kontinuitätsgrundsatz zu beachten, sodass auch trotz einer Umgangsverweigerung das Kindeswohl gegen einen Aufenthaltswechsel sprechen kann.[92] Die Anforderungen an die Begründung einer solchen Entscheidung sind hoch.[93]

Das OLG Dresden[94] hat dem bisher nicht betreuenden Elternteil das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind übertragen, da der andere Elternteil in der Vergangenheit den Umgang erheblich behindert hatte und beabsichtigte, ohne nachvollziehbare Gründe mit dem Kind vom bisherigen Wohnort weit wegzuziehen. In dem entschiedenen Fall hatte das Kind trotz der Behinderung des Umgangs eine gute Bindung zum nicht betreuenden Elternteil. Ferner zeigten sich bei dem bis dahin betreuenden Elternteil neben der mangelnden Bindungstoleranz auch b...

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