Nach dem vor dem 1.9.2009 geltenden § 323 Abs. 3 S. 1 ZPO a.F. war eine rückwirkende Herabsetzung des Unterhalts nicht vorgesehen. Unterhaltsurteile (nicht die in § 323 Abs. 4 ZPO a.F. genannten Titel), mit denen eine Herabsetzung des Unterhalts ausgesprochen wurde, konnten nur für die Zeit nach Erhebung der Klage abgeändert werden. Es kam hier entscheidend auf den Tag der Klagezustellung, d.h. auf die Rechtshängigkeit, an.[1] Auch ein vorgeschaltetes Prozesskostenhilfeverfahren durchbrach die Zeitschranke nicht; es konnte daher nicht auf den Zugang des Gesuchs oder die Mitteilung der Klage abgestellt werden.[2] Um Verzögerungen zu vermeiden, musste der Antragsteller trotz Prozessarmut den Gerichtskostenvorschuss einzahlen oder das Gericht um sofortige Zustellung der Klage nach § 14 Nr. 3 GKG bitten.

Die Zeitschranke des § 323 Abs. 3 S. 1 ZPO a.F. galt jedoch nicht für eine Klage auf Erhöhung der in § 323 Abs. 3 S. 2 ZPO a.F. genannten Unterhaltsansprüche unter Ehegatten und Verwandten. Eine rückwirkende Abänderung von Unterhaltstiteln konnte nach früherem Recht dann verlangt werden, wenn nach den materiellrechtlichen Vorschriften Unterhalt auch für die Vergangenheit verlangt werden konnte. Das war insbesondere der Fall, wenn der Unterhaltsberechtigte den Unterhaltsverpflichteten (z.B. nach § 1613 BGB) aufgefordert hatte, über seine Einkünfte oder sein Vermögen zum Zwecke der Unterhaltsberechnung Auskunft zu erteilen. Gleiches galt, wenn der Unterhaltsverpflichtete mit der erhöhten Unterhaltsrente in Verzug gesetzt worden war.[3]

§ 238 Abs. 3 FamFG enthält gegenüber § 323 Abs. 3 ZPO a.F. mehrere Neuerungen. Grundsätzlich ist zwar ein Abänderungsantrag gem. § 238 Abs. 3 S. 1 FamFG hinsichtlich des vor dem maßgeblichen Zeitpunkt (Rechtshängigkeit) liegenden Teils unzulässig. Maßgeblich ist die Zustellung des Antrags an den Gegner. Auch seit dem 1.9.2009 genügt weder die Beantragung eines entsprechenden Verfahrenskostenhilfegesuchs noch die bloße Einreichung des Abänderungsantrags bei Gericht.[4] Solche Schriftsätze können, falls sich der bestrittene Zugang eines vorgerichtlichen Schreibens nicht nachweisen lässt, als verzugsbegründende Aufforderungsschreiben angesehen werden. Nach der neuen Regelung des § 238 Abs. 3 S. 3 FamFG ist jedoch ein auf Herabsetzung des Unterhalts gerichteter Antrag auch zulässig für die Zeit ab dem Ersten des auf ein entsprechendes vorgerichtliches Auskunfts- oder Verzichtsverlangen (sog. negative Mahnung) des Antragstellers folgenden Monats. Ein entsprechendes Verlangen muss dem Unterhaltsgläubiger zugegangen sein.[5]

Achtung: Zur Vermeidung von Regressen sollte der Rechtsanwalt des Antragstellers unbedingt durch geeignete Maßnahmen wie z.B. Einschreiben gegen Rückschein, Boten, Zustellungsurkunde etc. sicherstellen, dass für den Zugang des Auskunfts- oder Verzichtsverlangens ein Nachweis geführt werden kann.

Durch die Neufassung des § 238 Abs. 4 S. 3 FamFG wird die Gleichbehandlung von Gläubiger und Schuldner erreicht. Das auf eine Herabsetzung gerichtete Verlangen unterliegt spiegelbildlich den Voraussetzungen, für die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts (§§ 1360a Abs. 3, 1361 Abs. 4 S. 4, 1585b Abs. 2 BGB) Unterhalt für die Vergangenheit verlangt werden kann. Diese Voraussetzungen ergeben sich nach der Neufassung des § 1585b Abs. 2 BGB durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts[6] einheitlich aus § 1613 Abs. 1 BGB. Für eine mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit liegende Zeit kann eine Herabsetzung nicht verlangt werden. § 238 Abs. 3 S. 4 FamFG entspricht § 1585b Abs. 3 BGB und enthält für alle Unterhaltsansprüche die zeitliche Einschränkung für die Geltendmachung eines rückwirkenden Herabsetzungsverlangens.

[1] BGH NJW 1990, 709.
[2] BGH NJW 1982, 1050; a.A. Zöller/Vollkommer, § 323 ZPO Rn 35 m.w.N.
[3] Ehinger/Griesche/Rasch, Rn 727.
[4] Begr. RegE, BT-Drucks 16/6308, S. 258.
[5] Begr. RegE, BT-Drucks 16/6308, S. 258.
[6] Gesetz v. 21.12.2007, BGBl. I, S. 3189.

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