I. [1] Der Beschwerdeführer ist ein am … 1993 geborener afghanischer Staatsangehöriger, dessen Eltern in Afghanistan verstorben sind. Am 23.2.2010 meldete sich der Beschwerdeführer in der Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge als unbegleiteter Minderjähriger. Am 25.2.2010 nahm ihn die Sozial- und Jugendbehörde der Stadt Karlsruhe in Obhut und beantragte die Einrichtung einer Amtsvormundschaft. Mit Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Karlsruhe vom 2.3.2010 wurde für den Beschwerdeführer Vormundschaft gemäß § 1773 BGB angeordnet und die Sozial- und Jugendbehörde der Stadt Karlsruhe, Abteilung B (im Folgenden: Jugendamt) als Vormund bestellt. Seit 11.11.2010 wohnt der Beschwerdeführer in einer Jugendhilfeeinrichtung in Ulm und besucht dort eine Schule.

[2] Ein vom Beschwerdeführer gestellter Asylantrag wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 7.7.2010 abgelehnt. Hiergegen erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch das Jugendamt, mit Schriftsatz vom 15.7.2010 Klage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe (Az. A 8 K 1721/10). Mit der Klage beantragte er, den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge aufzuheben, die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen; hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis Abs. 7 AufenthG vorliegen. Für die Klage beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beim Verwaltungsgericht.

[3] Am 14.7.2010 hat das Jugendamt beim Amtsgericht – Familiengericht – Karlsruhe beantragt, Rechtsanwalt B. M., Heidelberg, zum Ergänzungspfleger für die asyl- und ausländerrechtliche Betreuung zu bestellen. Zur Begründung hat es ausgeführt, weder das Jugendamt noch der Beschwerdeführer besäßen Rechtskenntnisse oder Kenntnisse über die derzeitige Situation in Pakistan und Afghanistan. Daher könnten sie das Klageverfahren gegen die Ablehnung des Asylantrags nicht sachgerecht führen. Eine Ergänzungspflegschaft sei trotz der Handlungsfähigkeit des Jugendlichen im Ausländerrecht ab dem 16. Lebensjahr einzurichten.

[4] Das Amtsgericht – Familiengericht – Karlsruhe hat den Antrag auf Bestellung eines Ergänzungspflegers für die asyl- und ausländerrechtliche Betreuung mit Beschluss vom 16.7.2010 zurückgewiesen. Das Amtsgericht hat darauf abgestellt, dass der 17-jährige Beschwerdeführer gemäß § 80 Abs. 1 AufenthG handlungsfähig und einem Volljährigen gleichzustellen sei. Daher sei er auf die Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts und die Stellung eines Verfahrenskostenhilfeantrags zu verweisen.

[5] Hiergegen richtet sich die Beschwerde, die der Beschwerdeführer, vertreten durch das Jugendamt, erhoben hat. Zur Begründung führt der Beschwerdeführer aus, die gesetzliche Bestimmung über seine Handlungsfähigkeit im Asylverfahren schließe die Anordnung einer Pflegschaft nicht aus. Wenn bereits ein Amtsvormund keine ausreichende Sachkenntnis besitze, um sein Mündel in asyl- und ausländerrechtlichen Fragen zu betreuen, könne ein 16- oder 17-jähriger unbegleiteter Flüchtling keinesfalls als hinreichend einsichtsfähig erachtet werden. Aus Kindeswohlgründen und unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes sei auch einem über 16-jährigen unbegleiteten Flüchtling ein Ergänzungspfleger zur Seite zu stellen. Im Übrigen stehe die Regelung in § 80 Abs. 1 AufenthG im Widerspruch zur UN-Kinderrechtskonvention. Die Ungleichbehandlung von Kindern unter und über 16 Jahren könne daher nicht aufrechterhalten werden.

II. [7] Die Beschwerde ist zulässig. Der nach § 59 Abs. 1 FamFG beschwerdeberechtigte Beschwerdeführer hat die Beschwerde innerhalb der Monatsfrist gemäß § 63 Abs. 1 FamFG eingelegt.

[8] In der Sache bleibt die Beschwerde ohne Erfolg, da die Voraussetzungen für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft nicht vorliegen.

[9] Nach § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB erhält ein Minderjähriger für Angelegenheiten, an deren Besorgung die Eltern oder der Vormund verhindert sind, einen Pfleger. Neben einer tatsächlichen oder rechtlichen Verhinderung des gesetzlichen Vertreters setzt diese Vorschrift für die Anordnung der Pflegschaft ein Bedürfnis voraus, das durch einen gegenwärtigen konkreten Anlass begründet sein muss (BGH NJW 1976, 49).

[10] Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob eine Verhinderung des Vormunds gegeben ist (1.). Denn jedenfalls fehlt es an einem Bedürfnis für die Anordnung der Pflegschaft (2.). Eine abweichende Beurteilung ist auch nicht im Hinblick auf das Übereinkommen vom 20.11.1989 über die Rechte des Kindes (BGBl 1992 II, 121 ff.; im Folgenden: UN-Kinderrechtskonvention) geboten (3.).

[11] 1. Ob fehlende Kenntnisse beim Vormund eine Verhinderung aus tatsächlichen Gründen für die Vertretung eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings im ausländerrechtlichen Verfahren begründen, ist streitig. Das OLG Frankfurt hat dies für den Fall bejaht, dass der Amtsvormund keine spezielle Sachkunde im Ausländer- und Asylrecht und keine Detailkenntnisse über die p...

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