Dr. Eva Niebergall-Walter

Der vor seinem 21. Geburtstag stehende N. gehört wie manche seiner Altersgenossen noch dem Hausstand eines Elternteils an. Mit Erleichterung stellt er fest, dass er die Herausgabe seines Vermögens und die aufgelaufenen, nicht titulierten Unterhaltsrückstände bei seinen Eltern erst in knapp 3 Jahren fordern muss und sich bis dahin in Ruhe seinem Studium widmen kann.

Der vorbeschriebene Sachverhalt stammt nicht aus der Zeit des Römischen Rechts, als die Mündigkeit eines Bürgers mit dem 25. Lebensjahr eintrat. Auch wurde er nicht einem Lehrbuch entnommen, das sich mit der neueren, bis zum 31.7.1975 geltenden Rechtslage befasste – man erinnere sich: Bis zu diesem Datum lag das Volljährigkeitsalter bei 21 Jahren. Die geschilderte Situation erscheint vielmehr dem heutigen Gesetzgeber hoch aktuell. Vor wenigen Wochen trat das Gesetz zur Änderung des Erb-und Verjährungsrechts (ErbVerjÄndG) in Kraft. Neben erbrechtlich relevanten Neuregelungen enthält es einige wenige, aber erhebliche Veränderungen für den Bereich des Familienrechts. Dazu gehört die Neufassung des § 207 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB, wonach die Verjährung bei Ansprüchen zwischen Kindern und Eltern nunmehr bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des Kindes gehemmt ist. Konsequenz: Zur Vermeidung der Verjährung seiner Ansprüche hat das Kind bis kurz vor seinem 24. Geburtstag Zeit … siehe oben. Die Hintergründe sind schnell gefunden. Das ErbVerjÄndG hat § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB aufgehoben und familienrechtliche Ansprüche in den Anwendungsbereich der Regelverjährung einbezogen, was zu einer Abkürzung der Verjährung in Teilbereichen führt, wie z.B. bei dem Anspruch aus § 1698 BGB auf Herausgabe des Kindesvermögens. Ein Ausgleich über den Weg der Hemmung der Verjährung war nach Auffassung des Gesetzgebers zum Schutz der "familiären Binnengemeinschaft" erforderlich. Lt. BT-Drucks 16/8954, S. 12 u. 14 besteht auch nach Eintritt der Volljährigkeit in der Regel eine enge emotionale und wirtschaftliche Verbundenheit von Kindern und Eltern fort. Die Ablösung der Kinder von den Eltern erfolgt nicht auf einmal, sondern allmählich. Dem jungen Volljährigen soll nicht zugemutet werden, dass er durch eine kurze Verjährungsfrist zur Klageerhebung gegen seine Eltern gezwungen ist, obwohl der Ablösungsprozess gerade erst einsetzt, er überwiegend noch dem Hausstand seiner Eltern angehört und sich in einer Ausbildung befindet.

Ob diese Überlegungen des Gesetzgebers gesellschaftlich und soziologisch richtig und wünschenswert sind, mag an anderer Stelle diskutiert werden. Juristisch zu bedenken bleibt, dass es neben der Neuregelung des § 207 BGB noch das Rechtsinstitut der Verwirkung gibt. Es ist zwar umstritten, ob die Hemmung eines Anspruchs auch seine Verwirkung ausschließt. Folgt man aber der einen Meinung, wonach eine Verwirkung nicht ausgeschlossen ist, so könnten die Überlegungen des Gesetzgebers, die ihn zur Neufassung der genannten Vorschrift bewogen haben, ins Leere laufen. Sollen wir also den Familienfrieden unseres N., der trotz Einbehaltung seines Vermögens und Unterhaltsrückstand nach wie vor besteht, doch stören?

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