Die Hauptfrage, die der BGH in dem für die Amtliche Sammlung bestimmten Beschluss entscheidet, betrifft den Auskunftsanspruch des minderjährigen Kindes nach § 1605 Abs. 1 S. 1 BGB. Dabei geht er auf die Vorfrage ein, ob die Höchstbeträge der Düsseldorfer Tabelle für den Minderjährigenunterhalt fortgeschrieben und damit die Anwendungsbereiche für eine pauschale Unterhaltsbemessung erweitert werden können.

Bereits aufgrund der im Beschluss zitierten früheren Rechtsprechung des BGH war kaum daran zu zweifeln, dass auch der Auskunftsanspruch des minderjährigen Kindes gegen den barunterhaltspflichtigen Elternteil nicht entfällt, wenn dieser erklärt unbeschränkt leistungsfähig zu sein. Eine Pflicht zur Auskunft ist nur dann nicht gegeben, wenn die Auskunft unter keinem Gesichtspunkt für den Unterhalt erheblich sein kann, weder für die Entscheidung, ob ein Unterhaltsprozess riskiert werden soll, noch für die Frage, welcher konkrete Unterhalt in Betracht kommt. Durch die Erklärung des Unterhaltspflichtigen, unbeschränkt leistungsfähig zu sein, ist nur die Leistungsfähigkeit unstrittig geworden. Es steht nicht fest, dass auch der Unterhaltsbedarf des Kindes ohne Rücksicht auf das Einkommen und Vermögen des Elternteils ermittelt werden kann, nachdem die den Bedarf nach § 1610 Abs. 1 S. 1 BGB bestimmende Lebensstellung des Kindes bis zum Abschluss seiner Ausbildung sich regelmäßig von den Eltern ableitet.

Bedarfsbestimmend ist grundsätzlich das Einkommen beider Eltern. In den Fällen, in denen der eine Elternteil durch Betreuung des minderjährigen Kindes seine Unterhaltspflicht nach § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB voll erfüllt, während der andere Elternteil den Barunterhalt allein aufbringen muss, ist dessen Einkommen maßgebend. Die Höhe des zu leistenden Kindesunterhalts wird nach der vom BGH gebilligten einhelligen Praxis der Düsseldorfer Tabelle (zuletzt Stand 1.1.2020) entnommen. Aufbauend auf dem gesetzlichen Mindestunterhalt nach der Vorschrift § 1612a BGB steigen die Tabellenbeträge in zehn Einkommensgruppen bis zu 160 % des Mindestunterhalts. Ab einem Einkommen von 5.501 EUR verweist die Tabelle auf eine Unterhaltsbemessung nach den Umständen des Einzelfalles.

Eine Fortschreibung der Tabelle für den Kindesunterhalt wurde vom BGH bislang abgelehnt. Nunmehr wird sie von ihm bis zur Höhe der doppelten höchsten Tabellenbeträge befürwortet. Grund der Änderung der Rechtsprechung zum Kindesunterhalt ist eine Änderung der Rechtsprechung des BGH zum Ehegattenunterhalt. Danach kann im Sinne einer tatsächlichen Vermutung davon ausgegangen werden, dass ein Familieneinkommen bis zur Höhe des doppelten Einkommensbetrags der Düsseldorfer Tabelle vollständig für den Lebensbedarf der Familie verwendet wird. Der Unterhaltsbedarf eines Ehegatten kann in diesem Fall ohne Darlegung der konkreten Einkommensverwendung nach einer Einkommensquote bemessen werden. Da Kinder grundsätzlich am Lebensbedarf ihrer Eltern teilnehmen, soweit sie ihre Lebensstellung von diesen ableiten, muss Ähnliches auch für den Kindesunterhalt gelten. Die Düsseldorfer Tabelle, die das Kind nicht quotenmäßig (linear), sondern degresssiv am steigenden Einkommen der Eltern beteiligt, kann fortgeschrieben werden. Dies führt zu einer moderaten Unterhaltsanhebung. Neben der pauschalen Unterhaltsbemessung bleibt dem Kind eine konkrete Darlegung eines höheren Bedarfs unbenommen. Diese ist notwendig, wenn das Kind einen Bedarf aufgrund eines behaupteten Einkommens über den doppelten Höchstbeträgen der Tabelle geltend macht.

Die neue Rechtsprechung bedeutet, dass nach der Tabelle (Stand 1.1.2020) bis zu einem Nettoeinkommen der Eltern von 11.000 EUR monatlich von einem Verbrauch für den Unterhalt der Familie auszugehen ist. Der Kindesunterhalt kann bis zu dieser Grenze pauschal bemessen werden. Es ist zu erwarten, dass die Fassung der Düsseldorfer Tabelle zum 1.1.2021 dazu weitere Einkommensgruppen und Unterhaltsbeträge nennen wird. Die Geltendmachung von Kindesunterhalt bei besonders günstigen Einkommensverhältnissen der Eltern wird durch die Entscheidung des BGH erleichtert. Eine konkrete Darlegung des Bedarfs bleibt daneben möglich. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass es schwierig ist, dazu beweisbaren schlüssigen Vortrag zu bringen.

Neben der Bejahung der Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle nimmt der BGH zu wichtigen Einzelfragen Stellung. Auch wenn das Kind keinen Anspruch auf Teilhabe am Luxus hat und sein Unterhalt durch das "Kindsein" geprägt ist, nimmt es am höheren Einkommen und an Einkommenssteigerungen teil, gleich ob die Eltern zusammen oder getrennt leben oder geschieden sind. Dies gilt auch für Einkommensteile, an denen ein geschiedener Ehegatte nicht zu beteiligen ist, etwa bei einem Karrieresprung nach der Scheidung oder ein Splittingvorteil aufgrund einer neuen Ehe. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Bedarfsposten schon früher bestanden hat oder etwa mit dem wachsenden Alter des Kindes neu entstanden ist. Schließlich weist der BGH darauf hin, dass der Tabellen...

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