Auf Grund der Verdrängung der Regelungen des Allgemeinen Teils durch speziellere familienrechtliche Vorschriften hat der Grundsatz der Anwendbarkeit des Allgemeinen Teils eine geringe praktische Bedeutung.

Die Regelungen der §§ 116 ff. oder 119 ff. BGB sind zwar generell anwendbar, doch sind Sonderregelungen für Willenserklärungen zu finden, welche zur Begründung oder Veränderung eines familienrechtlichen Status führen. § 1314 Abs. 1 und 2 Nr. 1-5 BGB verdrängen etwa die Regelungen der §§ 116 ff. BGB. Aber auch die §§ 17591761 BGB regeln die Aufhebung der Adoption oder § 1600a BGB die Anfechtung der Vaterschaftsanerkennung, so dass die Gestaltungsrechte wie Anfechtung, Rücktritt sowie Kündigung keine Anwendung finden. Hierbei erfolgt die Gestaltung meist nicht durch eine rein rechtsgeschäftliche Willenserklärung, sondern durch einen Antrag oder eine Klage, die dann kraft gerichtlicher Gestaltung wirken.[1]

Durch die höchstpersönliche Natur familienrechtlicher Ansprüche, wird das Vertretungsrecht der §§ 164 ff. BGB und deren Bedeutung deutlich vermindert, wie bei Eheschließungen, auf die Vertretungsregelungen auf Grund des höchstpersönlichen Charakters der Willenserklärungen keine Anwendung finden.

In Fällen, in denen Minderjährige eine familienrechtlich bedeutsame Willenserklärung nicht selbst abgeben dürfen, können diese nicht durch rechtsgeschäftlich Bevollmächtigte, sondern lediglich durch gesetzliche Vertreter abgegeben werden. In Fällen, in denen Vermögens- oder Statusinteressen des Minderjährigen in Rede stehen, bedarf es obendrein der Zustimmung des Familiengerichts.

Der beschränkt Geschäftsfähige wird durch das Familienrecht viel differenzierter behandelt, als es §§ 106 ff. BGB vorsehen.

Für die allgemeine Rechtsgeschäftslehre reicht die starre Altersgrenze des vollendeten 7. und des noch nicht vollendeten 18. Lebensjahres im Interesse der Rechtsklarheit aus. Im Familienrecht hingegen muss jedoch im Interesse des selbstständig werdenden Kindes stärker differenziert werden. Das Gesetz gibt vor Erreichung der Volljährigkeit der Vollendung des 14. und des 16. Lebensjahres eine besondere Bedeutung.

Ab 14 Jahren kann das Kind beispielsweise (mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters) selbst der Adoption i.S.d. § 1746 BGB oder nach § 1596 Abs. 1 BGB der Vaterschaftsanerkennung zustimmen. Wenn das Kind das 16. Lebensjahr vollendet hat, kann es unter der Voraussetzung, dass sein künftiger Ehegatte volljährig ist, gem. § 1303 Abs. 2 BGB vom Familiengericht von dem Volljährigkeitserfordernis des § 1303 Abs. 1 BGB befreit und ihm die sog. Ehemündigkeit zugesprochen werden.

Wenn es sich um höchstpersönliche Interessen des Kindes, wie Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder das Kindeswohl dreht, differenziert das Familiengericht noch stärker und einzelfallbezogener. Im Falle einer Operation kann etwa ein Kind, das schon das 12. Lebensjahr erreicht hat, entscheiden, ob es diese vornehmen lassen möchte oder nicht. Diese Entwicklung zur einzelfallbezogenen Berücksichtigung des Kindeswillens wird Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG entnommen; dabei handelt es sich um das sog. Kindespersönlichkeitsrecht, das mit Alter und Reife zunehmende Bedeutung gewinnt.

[1] Rauscher, Familienrecht, S. 55.

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