1 Allgemeines

 

Rz. 1

Gemäß § 3 MiLoG sind Vereinbarungen unwirksam, soweit sie den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen. Die Vorschrift steht damit nicht zur Disposition der Arbeitsvertrags- und Kollektivvertragsparteien. Arbeitnehmer können auf den entstandenen Anspruch nach § 1 Abs. 1 MiLoG nur durch gerichtlichen Vergleich verzichten; im Übrigen ist ein Verzicht ausgeschlossen. Auch ist die Verwirkung des Anspruchs ausgeschlossen. Der Anspruch auf Mindestlohn wird demnach gesetzlich besonders geschützt. Das MiLoG soll (so die Gesetzesbegründung) "missbräuchliche Konstruktionen" vermeiden.[1] Zulasten der Arbeitnehmer abweichende Vergütungsvereinbarungen verstoßen gegen ein gesetzliches Verbot i. S. v. § 134 BGB und sind nichtig.

[1] BT-Drucks. 18/1558 S. 35.

2 Zwingende Geltung des gesetzlichen Mindestlohns

 

Rz. 2

Gemäß § 3 Satz 1 sind alle Vereinbarungen, die den Anspruch auf den Mindestlohn unterschreiten, in seiner Geltendmachung beschränken oder ausschließen, unwirksam. Der Anspruch nach dem MiLoG ist damit zwingend und kann nicht durch einzelvertragliche Vereinbarungen unterschritten oder behindert werden. Unberührt bleiben hierbei die Entgeltumwandlungen nach dem BetrAVG. Vereinbarungen nach § 1a BetrAVG sind keine Vereinbarungen, die zu einer Unterschreitung oder Beschränkung des Mindestlohnanspruchs führen.[1] Hiermit will der Gesetzgeber sicherstellen, dass auch im Mindestlohnbereich noch Entgeltumwandlungen nach § 1a BetrAVG betrieben werden können.[2] § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG besagt: "Der Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber verlangen, dass von seinen künftigen Entgeltansprüchen bis zu 4 % der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung durch Entgeltumwandlung für seine betriebliche Altersversorgung verwendet werden."

[1] BT-Drucks. 18/1558 S. 35.
[2] Vgl. ErfK-ArbR, 22. Aufl. 2022, § 3 MiLoG, Rz. 4.

3 Auswirkungen auf Vergütungsvereinbarungen unterhalb des Mindestlohns

 

Rz. 3

Die Rechtsfolge einer den Mindestlohn unterschreitenden Abrede ist § 3 Satz 1 direkt zu entnehmen, der die Vereinbarung insoweit für Unwirksamkeit erklärt. Nach mittlerweile überwiegender Auffassung der Literatur und des BAG[1] tritt an die Stelle der dann unwirksamen Regelung der Anspruch nach § 1 Abs. 1 MiLoG: Der Arbeitnehmer hat demnach einen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn.[2]

Ein Teil der Literatur vertritt hingegen die Auffassung, dass eine mindestlohnunterschreitende Vereinbarung i. V. m. § 134 BGB nichtig sei und zu einem Anspruch nach § 612 Abs. 2 BGB auf die übliche Vergütung führe. Dieser Auffassung wird indes nicht mehr gefolgt. Nach § 3 Satz 1 Alt. 1 ist die Vergütungsvereinbarung nur "insoweit" unwirksam, wenn sie den Mindestlohn unterschreitet; im Übrigen bleibt sie aber wirksam und wird durch den höheren Mindestlohnanspruch nur überlagert. Insofern verbleibt dann aber keine Möglichkeit der Anwendung des § 612 Abs. 2 BGB, denn dieser greift nur, wenn gar keine Höhe der Vergütung bestimmt ist. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, denn die Vergütung ist geregelt, nur eben zu niedrig.

Darüber hinaus wird es einem Arbeitnehmer auch kaum gelingen nachweisbar zu belegen, was denn die übliche Vergütung i. S. d. § 612 Abs. 2 BGB ist, denn maßgeblich hierfür wären die üblichen Verhältnisse im betreffenden Wirtschaftszweig und der betreffenden Wirtschaftsregion, in der der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbringt.

Praxistauglicher und auch dogmatisch richtig ist daher der Rückgriff auf § 1 Abs. 1 MiLoG: Für den Fall, dass die vereinbarte Vergütung den gesetzlichen Mindestlohn unterschreitet, kann die Differenz vom Arbeitnehmer eingeklagt werden.

[1] Vgl. hierzu im Ergebnis BAG, Urteil v. 16.12.2016, 5 AZR 374/16.
[2] Vgl. auch Richert/Nimmerjahn, Mindestlohngesetz, 2. Aufl. 2017, § 3, Rz. 8 f.

4 Ausschluss eines Verzichts auf den gesetzlichen Mindestlohn

 

Rz. 4

Der Arbeitnehmer kann auf den entstandenen Mindestlohnanspruch nur durch einen gerichtlichen Vergleich verzichten; im Übrigen ist ein Verzicht ausgeschlossen.[1]

Der Begriff des Verzichts ist umfassend zu verstehen und erfasst nicht nur einseitige Verzichtserklärungen des Arbeitnehmers, sondern auch rechtsgeschäftliche Handlungen oder 2-seitige Rechtsgeschäfte, die auf einen teilweisen oder vollständigen Anspruchsverlust abzielen.[2] Hierunter fallen auch Ausschlussfristen, die den Mindestlohn umfassen oder Abgeltungsklauseln in Aufhebungs- bzw. Abwicklungsvereinbarungen.

[2] So auch Riechert/Nimmerjahn, MiLoG, § 3 Rz. 40.

5 Ausnahme: Verzicht durch gerichtlichen Vergleich

 

Rz. 5

Ein gerichtlicher Vergleich setzt einen Rechtsstreit zwischen den Arbeitsvertragsparteien voraus. Insoweit wird regelmäßig der Arbeitnehmer auf die Zahlung des Mindestlohns klagen müssen. Vorstellbar wäre auch, dass der Arbeitnehmer auch wegen anderer in Streit stehender Ansprüche (z. B. Zeugnis, Abmahnung, Kündigung) Klage erhebt und im Rahmen dessen ein gerichtlicher Gesamtvergleich unter Einbeziehung von Mindestlohnansprüchen vereinbart wird.

 

Rz. 6

Ob der gerichtliche Vergleich im Gütetermin, im Kammertermin oder im schriftlichen Verfahren gem. § 278 Abs. 6 ZPO vereinbart wird, ist hierbei unerheblich. Ein gerichtlicher Ve...

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