Leitsatz

Begründeter Wiedereinsetzungsantrag bei inhaltlich unrichtiger Rechtsmittelbelehrung durch das Amtsgericht in einem Streit des Nachbarn gegen die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft

 

Normenkette

§ 43 Nr. 5 WEG; § 72 Abs. 2 GVG; § 233 ZPO

 

Kommentar

  1. Wurde im Rahmen der Zuständigkeitserörterung den Parteien in einem Nachbarstreit vom Amtsgericht in Wohnungseigentumssachen fehlerhaft der Hinweis gegeben, dass für eine Berufung das zentrale Berufungsgericht in Wohnungseigentumssachen zuständig sei und wird deshalb die Berufung auf Hinweis des zentralen Berufungsgerichts in WE-Sachen nachfolgend unverzüglich durch die anwaltlich vertretene Partei bei dem allgemein zuständigen Berufungsgericht eingelegt, kann nicht von verschuldeter Versäumung der Berufungsfrist durch die beklagte Partei ausgegangen werden. Durch die unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung des AG für Wohnungseigentumssachen wurde hier für die Beklagtenseite ein Vertrauenstatbestand geschaffen, der eine Wiedereinsetzung wegen schuldloser Fristversäumnis rechtfertigt, da insoweit durch die Belehrung ein unvermeidbarer oder zumindest entschuldbarer Rechtsirrtum hervorgerufen wurde, auf dem die Fristversäumnis beruhte. Auch eine anwaltlich vertretene Partei darf sich im Grundsatz auf die Richtigkeit einer Gerichtsbelehrung verlassen (h.M.). Selbst ein vermeidbarer Rechtsirrtum kann entschuldbar sein, sollte eine Rechtsmittelbelehrung nicht offenkundig fehlerhaft und der durch sie verursachte Irrtum nachvollziehbar sein (ebenfalls h.M.). Vorliegend wäre zwar der Rechtsirrtum der Beklagtenseite vermeidbar gewesen, allerdings war er auch entschuldbar. Die Beklagtenseite konnte davon ausgehen, dass der mit der Spezialmaterie besonders vertraute Richter insoweit zuverlässige Auskünfte erteilt. Der wohnungseigentumsrechtliche Rechtsmittelzug erstreckt sich entgegen der Auffassung des Amtsgerichts allein auf Binnenstreitigkeiten nach dem WEG, nicht allerdings auf Klagen Dritter gegen die Gemeinschaft (vgl. § 43 Nr. 5 WEG). Auch dürfen Rechtsmittelfristen grundsätzlich voll ausgeschöpft werden (vgl. BGH, Beschluss v. 18.9.2008, NJW 2008 S. 3571).
  2. Da die weiteren Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorlagen, musste unter Aufhebung der Vorentscheidungen die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das allgemeine Berufungsgericht in Zivilsachen zurückverwiesen werden.
 

Link zur Entscheidung

BGH, Beschluss v. 12.1.2012, V ZB 198/11 und BGH, Beschluss v. 12.1.2012, V ZB 199/11

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