Leitsatz

Ein zur Kündigung des Vermieters berechtigender Verzug des Mieters mit der Mietzahlung kann entfallen, wenn sich der Mieter über die Höhe der Minderung entschuldbar irrt. Kann der Mieter keinen zur Minderung berechtigenden Mangel nachweisen, gerät er in Zahlungsverzug und kann sich auch nicht auf eine möglicherweise unrichtige Beratung berufen.

 

Fakten:

Die Parteien streiten über die Berechtigung einer fristlosen Kündigung wegen Mietzahlungsverzugs. Der Mieter hatte in acht aufeinander folgenden Monaten die Miete jeweils nicht in voller Höhe gezahlt. Der fehlende Betrag überstieg das Vierfache einer Monatsmiete. Der Mieter beruft sich darauf, Balkon und Garten würden von anderen Mietern benutzt, das Treppenhaus sei verschmutzt, weise großflächige Farbabplatzungen auf, die Briefkastenanlage sei verwahrlost, Müll- und Gerümpelablagerungen lagerten auf dem Hof, aus der Nachbarwohnung dringe erheblicher Lärm. Das Gericht gibt dem Vermieter Recht: Der Mieter befand sich bei Zugang der fristlosen Kündigung in Verzug mit der Zahlung der Miete. Der Verzug war verschuldet. Verschulden in diesem Sinne fehlt nur, wenn sich der Mieter mit seiner Auffassung, die Miete nicht oder nicht in voller Höhe zu schulden, in einem entschuldbaren Rechts- oder tatsächlichen Irrtum befunden hat. Ein entschuldbarer Irrtum ist zu bejahen, wenn sich der Schuldner mit Sorgfalt um die Klärung der zweifelhaften Fragen bemüht hat. Das ist hier nicht der Fall. Obwohl die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Minderung ungeklärt waren und dem Mieter bekannt war, dass der Vermieter die vorgenommenen Minderungen nicht akzeptierte, hat der Mieter die Miete um jeweils 40 bis 50 % in zwei Monaten sogar fast vollständig, gemindert. Dieses ist bei dem hier gegebenen Umfang der Nicht- bzw. Minderzahlung nicht mehr entschuldbar. Der Mieter hat hier nicht dafür gesorgt, die behaupteten Mietmängel nachzuweisen. Der Mieter ist auch nicht dadurch entschuldigt, dass er in der Angelegenheit Rechtsrat beim Berliner Mieterverein eingeholt hat, denn er hatte auch für den Rat Erteilenden gemäß § 278 BGB als Erfüllungsgehilfen einzustehen. Das gilt insbesondere, wenn der erteilte Rat der Rechtslage oder der herrschenden Meinung nicht entspricht. Hier hatte der Mieterverein seine Ausführungen insoweit eingeschränkt, als sie auf den "dort vorliegenden Informationen beruhen". Übermittelt aber der Ratsuchende falsche bzw. nicht gesicherte Informationen, so kann er sich nicht entschuldigend darauf berufen, zu der Frage Rechtsrat eingeholt zu haben.

 

Link zur Entscheidung

LG Berlin, Urteil vom 06.09.2005, 63 S 111/05

Fazit:

Ein zu entschuldigender Rechtsirrtum läge z. B. vor, wenn der Mieter sich in der Höhe der Minderung irrte, und zwar bis ums Doppelte, weil die Bestimmung des Umfangs der Mietminderung von vielen Detailfragen abhängt sowie von den Gerichten im Einzelnen unterschiedlich beurteilt wird und deshalb häufig nicht vorab und eindeutig vom Mieter geklärt werden kann, auch wenn er entsprechenden rechtlichen Rat einholt und dabei den Sachverhalt umfassend und zutreffend vorträgt.

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