Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Gerichtliche Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen. Zivil- und Handelssachen. Zuständigkeit bei Verbrauchersachen. Verlegung des Wohnsitzes des Verbrauchers in einen anderen durch das Übereinkommen gebundenen Staat

 

Normenkette

Lugano-II Art. 15 Abs. 1 Buchst. c

 

Beteiligte

Commerzbank

Commerzbank AG

E. O

 

Tenor

Art. 15 Abs. 1 Buchst. c des am 30. Oktober 2007 in Lugano unterzeichneten Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, dessen Abschluss im Namen der Europäischen Gemeinschaft mit dem Beschluss 2009/430/EG des Rates vom 27. November 2008 genehmigt wurde, ist dahin auszulegen, dass diese Vorschrift die Zuständigkeit für den Fall bestimmt, dass der beruflich oder gewerblich Handelnde und der Verbraucher, die Parteien eines Verbrauchervertrags sind, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in demselben durch das Übereinkommen gebundenen Staat ansässig waren und ein Auslandsbezug des Rechtsverhältnisses erst nach dem genannten Vertragsschluss aufgrund dessen entstanden ist, dass der Verbraucher seinen Wohnsitz später in einen anderen durch das Übereinkommen gebundenen Staat verlegt hat.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 12. Mai 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Juli 2020, in dem Verfahren

Commerzbank AG

gegen

E. O.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters M. Safjan,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Commerzbank AG, vertreten durch Rechtsanwalt N. Tretter,
  • der schweizerischen Regierung, vertreten durch M. Schöll als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Heller und I. Zaloguin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. September 2021,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, das am 30. Oktober 2007 unterzeichnet und dessen Abschluss im Namen der Europäischen Gemeinschaft durch den Beschluss 2009/430/EG des Rates vom 27. November 2008 (ABl. 2009, L 147, S. 1) genehmigt wurde (im Folgenden: „Lugano-II-Übereinkommen”), und insbesondere Art. 15 Abs. 1 Buchst. c sowie Art. 16 Abs. 2 dieses Übereinkommens.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Commerzbank AG und E. O. wegen der Rückzahlung einer Schuld aus einer Überziehung des Girokontos von E. O.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Wie aus der „Unterrichtung über den Zeitpunkt des Inkrafttretens des am 30. Oktober 2007 in Lugano unterzeichneten Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen” (ABl. 2011, L 138, S. 1) hervorgeht, ist das Lugano-II-Übereinkommen zwischen der Europäischen Union und der Schweizerischen Eidgenossenschaft am 1. Januar 2011 in Kraft getreten.

Rz. 4

Titel II („Zuständigkeit”) des Lugano-II-Übereinkommens enthält in Abschnitt 1 („Allgemeine Vorschriften”) die Art. 2 bis 4.

Rz. 5

Art. 2 Abs. 1 des Übereinkommens bestimmt:

„Vorbehaltlich der Vorschriften dieses Übereinkommens sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen.”

Rz. 6

Art. 3 Abs. 1 des Übereinkommens lautet:

„Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates haben, können vor den Gerichten eines anderen durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates nur gemäß den Vorschriften der Abschnitte 2 bis 7 dieses Titels verklagt werden.”

Rz. 7

In Art. 5 Nr. 1 des Lugano-II-Übereinkommens, der in dessen Titel II Abschnitt 2 („Besondere Zuständigkeiten”) steht, heißt es:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates hat, kann in einem anderen durch dieses Übereinkommen gebundenen Staat verklagt werden:

1.

  1. wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre;
  2. im Sinne dieser Vorschrift – und sofern nichts anderes vereinbart worden ist – ist der Erfüllungsort der Verpflichtung

    - für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem durch dieses Übereinkommen gebundenen Staat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen;

  3. ist Buchstabe b nicht anwendbar, so gilt Buchs...

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