Entscheidungsstichwort (Thema)

Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen. Artikel 54. Grundsatz ne bis in idem. Geltungsbereich. Freispruch der Angeklagten wegen Verjährung des Vergehens

 

Beteiligte

Gasparini u.a

Giuseppe Francesco Gasparini

José Ma L. A. Gasparini

Giuseppe Costa Bozzo

Juan de Lucchi Calcagno

Francesco Mario Gasparini

José A. Hormiga Marrero

Sindicatura Quiebra

 

Tenor

1. Der Grundsatz ne bis in idem, der in Artikel 54 des am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichneten Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen verankert ist, findet auf die in einem Strafverfahren ergangene Entscheidung des Gerichts eines Vertragsstaats Anwendung, mit der ein Angeklagter rechtskräftig wegen Verjährung der Straftat freigesprochen wird, die Anlass zur Strafverfolgung gegeben hat.

2. Der genannte Grundsatz findet keine Anwendung auf andere Personen als diejenigen, die von einem Vertragsstaat rechtskräftig abgeurteilt worden sind.

3. Ein Strafgericht eines Vertragsstaats kann eine Ware nicht allein deshalb als in seinem Hoheitsgebiet im freien Verkehr befindlich ansehen, weil das Strafgericht eines anderen Vertragsstaats in Bezug auf dieselbe Ware festgestellt hat, dass der Schmuggel verjährt sei.

4. In der Vermarktung einer Ware in einem anderen Mitgliedstaat im Anschluss an ihre Einfuhr in den Mitgliedstaat, in dem der Freispruch ergangen ist, liegt eine Handlung, die Bestandteil „derselben Tat” im Sinne des genannten Artikels 54 sein kann.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 35 EG, eingereicht von der Audiencia Provincial Málaga (Spanien) mit Entscheidung vom 8. Juli 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 2. November 2004, in dem Verfahren

Giuseppe Francesco Gasparini,

José Ma L. A. Gasparini,

Giuseppe Costa Bozzo,

Juan de Lucchi Calcagno,

Francesco Mario Gasparini,

José A. Hormiga Marrero,

Sindicatura Quiebra

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, der Richterin N. Colneric (Berichterstatterin) sowie der Richter J. N. Cunha Rodrigues, M. Ilešič und E. Levits,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 2006,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn G. F. Gasparini, Prozessbevollmächtigte: H. Oliva García, L. Pinto, I. Ayala Gómez und P. González Rivero, abogados,
  • von Herrn J. M(a) L. A. Gasparini, Prozessbevollmächtigter: C. Font Felíu, abogado,
  • von Herrn Costa Bozzo, Prozessbevollmächtigte: L. Rodríguez Ramos, abogado, und J. C. Randón Reyna, procurador,
  • von Herrn de Lucchi Calcagno, Prozessbevollmächtigte: F. García Guerrero-Strachan, abogado, und B. De Lucchi López, procuradora,
  • von Herrn F. M. Gasparini, Prozessbevollmächtigter: J. García Alarcón, abogado,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch M. Muñoz Pérez als Bevollmächtigten,
  • der französischen Regierung, vertreten durch J.-C. Niollet als Bevollmächtigten,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von G. Aiello, avvocato dello Stato,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster, C. Wissels und C. ten Dam als Bevollmächtigte,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch T. Nowakowski als Bevollmächtigten,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch L. Escobar Guerrero, W. Bogensberger und F. Jimeno Fernández als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 15. Juni 2006

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft zum einen die Auslegung von Artikel 54 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (ABl. 2000, L 239, S. 19, im Folgenden: Durchführungsübereinkommen oder SDÜ), das am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichnet worden ist, und zum anderen die Auslegung von Artikel 24 EG.

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Strafverfahrens gegen die Herren G. F. Gasparini, J. Ma L. A. Gasparini, Costa Bozzo, de Lucchi Calcagno, F. M. Gasparini und Hormiga Marrero sowie gegen die Sindicatura Quiebra, die verdächtigt werden, geschmuggeltes Olivenöl in Spanien vermarktet zu haben.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Nach Artikel 1 des Protokolls zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union, das durch den Vertrag von Amsterdam dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft als Anhang beigefügt wurde (im Folgenden: Pr...

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