Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Freier Dienstleistungsverkehr. Dienstleistungen im Binnenmarkt. Honorare für Architekten und Ingenieure. Festgesetzte Mindestpreise. Unmittelbare Wirkung der Bestimmungen des Unionsrechts und etwaige Unanwendbarkeit der nationalen Regelung

 

Normenkette

Richtlinie 2006/123/EG Art. 15 Abs. 1; Richtlinie 2006/123/EG Abs. 2 Buchst. g, Abs. 3

 

Beteiligte

Stadt Mainz

ID

Stadt Mainz

 

Tenor

Die Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt ist nicht auf einen Fall anwendbar, in dem ein Vertrag vor dem Inkrafttreten dieser Richtlinie geschlossen wurde und dieser Vertrag vor dem Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie alle seine Wirkungen erschöpft hat.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht Mainz (Deutschland) mit Entscheidung vom 9. August 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 31. August 2021, in dem Verfahren

ID

gegen

Stadt Mainz

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters J.-C. Bonichot in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten, des Richters S. Rodin (Berichterstatter) und der Richterin O. Spineanu-Matei,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von ID, vertreten durch Rechtsanwältin I. Eisterhues,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und D. Klebs als Bevollmächtigte,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und J. Langer als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Armati, M. Kellerbauer und L. Malferrari als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 49 AEUV sowie von Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. 2006, L 376, S. 36).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen ID, einem Architekturbüro, und der Stadt Mainz (Deutschland) wegen der Zahlung restlicher Vergütung für Architektenleistungen im Zusammenhang mit dem Umbau einer Schule.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123 lautet:

„Diese Richtlinie gilt für Dienstleistungen, die von einem in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringer angeboten werden.”

Rz. 4

Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g, Abs. 3 und 6 der Richtlinie bestimmt:

„(1) Die Mitgliedstaaten prüfen, ob ihre Rechtsordnungen die in Absatz 2 aufgeführten Anforderungen vorsehen, und stellen sicher, dass diese Anforderungen die Bedingungen des Absatzes 3 erfüllen. Die Mitgliedstaaten ändern ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um sie diesen Bedingungen anzupassen.

(2) Die Mitgliedstaaten prüfen, ob ihre Rechtsordnung die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit von folgenden nicht diskriminierenden Anforderungen abhängig macht:

g) der Beachtung von festgesetzten Mindest- und/oder Höchstpreisen durch den Dienstleistungserbringer;

(3) Die Mitgliedstaaten prüfen, ob die in Absatz 2 genannten Anforderungen folgende Bedingungen erfüllen:

  1. Nicht-Diskriminierung: die Anforderungen dürfen weder eine direkte noch eine indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder – bei Gesellschaften – aufgrund des Orts des satzungsmäßigen Sitzes darstellen;
  2. Erforderlichkeit: die Anforderungen müssen durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein;
  3. Verhältnismäßigkeit: die Anforderungen müssen zur Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels geeignet sein; sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist; diese Anforderungen können nicht durch andere weniger einschneidende Maßnahmen ersetzt werden, die zum selben Ergebnis führen.

(6) Ab dem 28. Dezember 2006 dürfen die Mitgliedstaaten keine neuen Anforderungen der in Absatz 2 genannten Art einführen, es sei denn, diese neuen Anforderungen erfüllen die in Absatz 3 aufgeführten Bedingungen.”

Rz. 5

Art. 44 Abs. 1 Satz 1 dieser Richtlinie sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten setzen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie bis spätestens ab dem 28. Dezember 2009 nachzukommen.”

Rz. 6

Art. 45 der Richtlinie 2006/123 lautet:

„Diese Richtlinie tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.”

Rz. 7

Die Richtlinie 2006/123 wurde am 27. Dezember 2006 veröffentlicht.

Deutsches Recht

Rz. 8

Die Honorare für Architekten und Ingenieure sind in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure vom 10. November 2001 (BGBl. I S. 58, 2992) geregelt, wobei die im Jahr 2002 geltende Fassung (im Folgenden: HOAI 2002) maßgeblich ist.

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