Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Sicherheit der Wandererwerbstätigen. Verordnung (EWG) Nr. 1408/71. Art. 13 und 14c. Anzuwendende Rechtsvorschriften. Selbständige. System der sozialen Sicherheit. Mitgliedschaft. Person, die in einem Mitgliedstaat abhängig beschäftigt ist oder keine Tätigkeit ausübt. In einem anderen Mitgliedstaat ausgeübte selbständige Tätigkeit. Organschaftlicher Vertreter. Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Sitzes der Gesellschaft. Führung der Geschäfte der Gesellschaft vom Wohnsitzstaat aus. Nationale Regelung, die die unwiderlegbare Vermutung aufstellt, dass im Mitgliedstaat des Sitzes der Gesellschaft eine Erwerbstätigkeit als Selbständiger ausgeübt wird. Versicherungspflicht nach dem Sozialstatut der Selbständigen dieses Staates

 

Beteiligte

Partena

Partena ASBL

Les Tartes de Chaumont-Gistoux SA

 

Tenor

Das Unionsrecht, insbesondere Art. 13 Abs. 2 Buchst. b und Art. 14c Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1606/98 des Rates vom 29. Juni 1998 geänderten Fassung sowie deren Anhang VII, steht einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden insoweit entgegen, als diese es einem Mitgliedstaat erlaubt, bei der Führung der Geschäfte einer in seinem Hoheitsgebiet steuerpflichtigen Gesellschaft von einem anderen Mitgliedstaat aus unwiderlegbar zu vermuten, dass diese Tätigkeit in seinem Hoheitsgebiet ausgeübt wird.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour du travail de Bruxelles (Belgien) mit Entscheidung vom 11. März 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 21. März 2011, in dem Verfahren

Partena ASBL

gegen

Les Tartes de Chaumont-Gistoux SA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Richter K. Schiemann und L. Bay Larsen (Berichterstatter) sowie der Richterin C. Toader und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: J. Mazák,

Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. März 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Partena ASBL, vertreten durch M. Lauwers, avocate,
  • von Les Tartes de Chaumont-Gistoux SA, vertreten durch A. Moyaerts und É. Piret, avocats,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck und J.-C. Halleux als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch V. Kreuschitz und G. Rozet als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. Juni 2012

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 13 und 14c der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. L 149, S. 2), in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1606/98 des Rates vom 29. Juni 1998 (ABl. L 209, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71) und von Art. 21 AEUV.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Partena ASBL (im Folgenden: Partena), der Sozialversicherungskasse für Selbständige, und der Les Tartes de Chaumont-Gistoux SA wegen der Sozialversicherungsbeiträge, die Partena von Letzterer für die Zeit vom ersten Quartal 1999 bis zum vierten Quartal 2007 einfordert.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 8 bis 11 der Verordnung Nr. 1408/71 lauten:

„Für Arbeitnehmer und Selbständige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, soll jeweils das System der sozialen Sicherheit nur eines Mitgliedstaats gelten, so dass eine Kumulierung anzuwendender innerstaatlicher Rechtsvorschriften und die sich daraus möglicherweise ergebenden Komplikationen vermieden werden.

Zahl und Reichweite der Fälle, in denen ein Arbeitnehmer oder Selbständiger als Ausnahme von der allgemeinen Regel gleichzeitig den Rechtsvorschriften zweier Mitgliedstaaten unterliegt, sind so klein wie möglich zu halten.

Um die Gleichbehandlung aller im Gebiet eines Mitgliedstaats erwerbstätigen Arbeitnehmer und Selbständigen am besten zu gewährleisten, ist es zweckmäßig, im allgemeinen die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats anzuwenden, in dessen Gebiet der Betreffende seine Arbeitnehmer- oder Selbständigkeit ausübt.

Von dieser allgemeinen Regel ist in besonderen Fällen, die ein anderes Zugehörigkeitskriterium rechtfertigen, abzuweichen.”

Rz. 4

In Art. 13 („Allgemeine Regelung”) der Verordnung Nr. 1408/71 ist bestimmt:

„(1) Vorbehaltlich der Artikel 14c und 14f unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften diese sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

(2) Soweit nicht die Arti...

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