Entscheidungsstichwort (Thema)

Freizügigkeit der Arbeitnehmer – Abfertigung (Kündigungsabfindung) – Verweigerung bei Kündigung des Arbeitsvertrags durch einen Arbeitnehmer, der eine unselbständige Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausüben will

 

Beteiligte

Graf

Volker Graf

Filzmoser Maschinenbau GmbH

 

Tenor

Artikel 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG) steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, nach der ein Arbeitnehmer, der das Arbeitsverhältnis selbst kündigt, um in einem anderen Mitgliedstaat eine unselbständige Tätigkeit auszuüben, keinen Anspruch auf eine Abfertigung (Kündigungsabfindung) hat, während einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis endet, ohne daß er selbst diese Beendigung herbeigeführt oder zu vertreten hat, eine derartige Abfertigung zusteht.

 

Tatbestand

In der Rechtssache C-190/98

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vom Oberlandesgericht Linz (Österreich) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Volker Graf

gegen

Filzmoser Maschinenbau GmbH

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG)

erläßt

DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten J. C. Moitinho de Almeida, L. Sevón und R. Schintgen (Berichterstatter) sowie der Richter P. J. G. Kapteyn, C. Gulmann, J.- P. Puissochet, G. Hirsch, P. Jann, H. Ragnemalm und M. Wathelet,

Generalanwalt: N. Fennelly

Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Hauptverwaltungsrätin

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

  • von Volker Graf, vertreten durch K. Mayr, Sekretär der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich,
  • der Filzmoser Maschinenbau GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte S. Köck und T. Eilmansberger, Wien,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch Botschafter F. Cede, Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten,
  • der dänischen Regierung, vertreten durch J. Molde, Rechtsberater und Abteilungsleiter im Außenministerium, als Bevollmächtigten,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch Ministerialrat E. Röder und Regierungsdirektor C.-D. Quassowski, Bundesministerium für Wirtschaft, als Bevollmächtigte,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch Professor U. Leanza, Leiter des Servizio del contenzioso diplomatico des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten im Beistand von Avvocato dello Stato I. M. Braguglia,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Ridley, Treasury Solicitor's Department, als Bevollmächtigte im Beistand von Barrister S. Masters,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater P. J. Kuijper als Bevollmächtigten im Beistand der Rechtsanwälte I. Brinker und R. Karpenstein, Brüssel,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Volker Graf, der Filzmoser Maschinenbau GmbH, der italienischen Regierung und der Kommission in der Sitzung vom 18. Mai 1999,

nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. September 1999,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1. Das Oberlandesgericht Linz hat mit Beschluß vom 15. April 1998, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Mai 1998, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) eine Frage nach der Auslegung des Artikels 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2. Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen dem deutschen Staatsangehörigen Volker Graf (Kläger) und der Filzmoser Maschinenbau GmbH (Beklagte) mit Sitz in Wels (Österreich) wegen deren Weigerung, dem Kläger die von diesem gemäß § 23 des Angestelltengesetzes (AngG) beanspruchte Abfertigung (Kündigungsabfindung) zu zahlen, nachdem er den Arbeitsvertrag mit der Beklagten gekündigt hatte, um in Deutschland eine Arbeit aufzunehmen.

Das österreichische Recht

3. § 23 AngG bestimmt:

(1) Hat das Dienstverhältnis ununterbrochen drei Jahre gedauert, so gebührt dem Angestellten bei Auflösung des Dienstverhältnisses eine Abfertigung. Diese beträgt das Zweifache des dem Angestellten für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Entgeltes und erhöht sich nach fünf Dienstjahren auf das Dreifache, nach zehn Dienstjahren auf das Vierfache, nach fünfzehn Dienstjahren auf das Sechsfache, nach zwanzig Dienstjahren auf das Neunfache und nach fünfundzwanzig Dienstjahren auf das Zwölffache des monatlichen Entgeltes …

(7) Der Anspruch auf Abfertigung besteht, vorbehaltlich des § 23a, nicht, wenn der Angestellte kündigt, wenn er ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt und wenn ihn ein Verschulden an der vorzeitigen Entlassung trifft.

4. § 23a AngG ist für das Ausgangsverfahren unerheblich.

Der Ausgangsrechtsstreit

5. Der Kläger kündigte mit Schreiben vom 29. Februar 1996 den am 3. August 1992 mit der Beklagten geschlossenen Arbeitsvertrag, um nach Deutschland überzusiedeln und dort ab 1. Mai 1996 eine neue Beschäftigung bei der G. Siempelkamp GmbH & Co. ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge