Entscheidungsstichwort (Thema)

ETIKETTIERUNG UND AUFMACHUNG VON LEBENSMITTELN – ARTIKEL 30 EG-VERTRAG UND RICHTLINIE 79/112//EWG – ANGABE EINER IM VERZEICHNIS DER ZUTATEN AUFGEFUEHRTEN ZUTAT IN VERBINDUNG MIT DER VERKEHRSBEZEICHNUNG. Rechtsangleichung ° Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln ° Richtlinie 79/112 ° Verpflichtung, in der Etikettierung der Erzeugnisse das Zutatenverzeichnis anzugeben ° Verpflichtung des Mitgliedstaats, der besondere zusätzliche Angaben vorzuschreiben beabsichtigt, ein Unterrichtungsverfahren einzuhalten ° Verpflichtung nur für Maßnahmen, die bestimmte Erzeugnisse oder Zutaten betreffen, nicht für allgemeine Vorschriften (Richtlinie 79/112 des Rates, Artikel 6 Absatz 6). Freier Warenverkehr ° Mengenmässige Beschränkungen ° Maßnahmen gleicher Wirkung ° Verbraucherschutz ° Lauterkeit des Handelsverkehrs ° Verpflichtung, bei bestimmten Lebensmitteln in Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung eine traditionellen inländischen Rezepturvorschriften nicht entsprechende Zutat anzugeben ° Unzulässigkeit (EG-Vertrag, Artikel 30; Richtlinie 79/112 des Rates, Artikel 6 Absatz 6)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Aus Artikel 6 Absatz 6 der Richtlinie 79/112 über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln ergibt sich eindeutig, daß das Unterrichtungsverfahren, das der Mitgliedstaat einzuhalten hat, der beim Fehlen von Gemeinschaftsvorschriften vorzuschreiben beabsichtigt, daß bei Lebensmitteln zusätzlich zu der vorgeschriebenen Angabe des Zutatenverzeichnisses in der Etikettierung eine oder mehrere Zutaten in Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung angegeben werden müssen, nur anzuwenden ist, wenn die nationalen Maßnahmen bestimmte Lebensmittel oder bestimmte Zutaten betreffen, so daß einzelstaatliche Vorschriften von allgemeiner Geltung nicht darunter fallen, auch wenn ihre Anwendung darauf hinausliefe, daß zusätzliche Angaben in Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung verlangt werden.

2. Ein Mitgliedstaat kann sich nicht auf Ziele des Gemeinwohls wie den Verbraucherschutz und die Lauterkeit des Handelsverkehrs berufen, um ein durch Artikel 30 des Vertrages verbotenes Hemmnis für den freien Warenverkehr zu rechtfertigen, das darin besteht, daß verlangt wird, daß bestimmte Lebensmittel, die eine den inländischen Rezepturvorschriften nicht entsprechende Zutat enthalten, für das Inverkehrbringen in seinem Hoheitsgebiet eine zusätzliche Angabe dieser Zutat in Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung aufweisen müssen, auch wenn sich deren Verwendung bereits aus dem Verzeichnis der Zutaten gemäß Artikel 6 der Richtlinie 79/112 über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln ergibt.

Eine solche Anforderung ist nämlich für die Erreichung dieser Ziele nicht erforderlich. Zum einen lesen Verbraucher, die sich in ihrer Kaufentscheidung nach der Zusammensetzung der Erzeugnisse richten, zunächst das Zutatenverzeichnis, dessen Angabe vorgeschrieben ist, so daß die Gefahr, daß sie dennoch irregeführt werden, gering ist und das genannte Hemmnis nicht rechtfertigen kann. Zum anderen kann der Wettbewerbsvorteil, der sich für bestimmte Hersteller aus der Verwendung billigerer Erzeugnisse ergeben könnte, nicht mit der Begründung als unzulässig angesehen werden, daß die Verbraucher nicht ausreichend zwischen den verschiedenen Herstellungsmethoden unterschieden, da die Information der Verbraucher, die auf die Zusammensetzung des Erzeugnisses achten, hinreichend durch das Zutatenverzeichnis gewährleistet ist und es den anderen Herstellern jedenfalls freisteht, die Verbraucher auf die Verwendung traditioneller Erzeugnisse hinzuweisen.

 

Normenkette

Richtlinie 79/112 des Rates Art. 6 Abs. 6; EGVtr Art. 30 (jetzt Art. 28 EG)

 

Beteiligte

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

Bundesrepublik Deutschland

 

Tenor

1) Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 30 EG-Vertrag verstossen, daß sie vorgeschrieben hat, daß mit Pflanzenfett hergestellte Sauce béarnaise und Sauce hollandaise sowie bestimmte Gebäckerzeugnisse, die den Zusatzstoff „E 160 F” enthalten, für das Inverkehrbringen in Deutschland eine zusätzliche Angabe des betreffenden Stoffes in Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung aufweisen müssen, auch wenn dieser Stoff bereits im Verzeichnis der Zutaten gemäß Artikel 6 der Richtlinie 79/112/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von für den Endverbraucher bestimmten Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür aufgeführt ist.

2) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3) Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten.

 

Gründe

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 4. Februar 1994 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag Klage auf Feststellung erhoben, daß die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 30 ff. EG-Vertrag sowie 5, 6 und 16 der Richtlinie 79/112/EWG des Rates vom 18. D...

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