Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer. Arbeitszeitgestaltung. Zusätzliche Vergütungen. Kinderschutzorganisation. Kinderdorfeltern. Vorübergehende Abwesenheit der Kinderdorfeltern. Als Vertreter der Kinderdorfeltern beschäftigte Arbeitnehmerinnen. Begriff

 

Normenkette

Richtlinie 2003/88/EG Art. 17

 

Beteiligte

Hälvä u.a

Hannele Hälvä

Sari Naukkarinen

Pirjo Paajanen

Satu Piik

SOS-Lapsikylä ry

 

Tenor

Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin auszulegen, dass er auf eine Beschäftigung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die darin besteht, in Vertretung der in erster Linie damit betrauten Person Kinder unter familienähnlichen Umständen zu betreuen, keine Anwendung findet, wenn nicht erwiesen ist, dass die gesamte Arbeitszeit nicht gemessen oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von dem Arbeitnehmer selbst festgelegt werden kann, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Korkein oikeus (Oberster Gerichtshof, Finnland) mit Entscheidung vom 24. März 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 29. März 2016, in dem Verfahren

Hannele Hälvä,

Sari Naukkarinen,

Pirjo Paajanen,

Satu Piik

gegen

SOS-Lapsikylä ry

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz, des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Vierten Kammer sowie des Richters E. Juhász, der Richterin K. Jürimäe und des Richters C. Lycourgos (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. März 2017,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Frau Hälvä, Frau Naukkarinen, Frau Paajanen und Frau Piik, zunächst vertreten durch P. Ahonen, dann durch P. Ahonen im Beistand von T. Lehtinen, asianajaja,
  • des SOS-Lapsikylä ry, zunächst vertreten durch J. Syrjänen, dann durch J. Syrjänen und J. Nevala, asianajajat,
  • der finnischen Regierung, vertreten durch H. Leppo als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und T. Henze als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch I. Koskinen und M. van Beek als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. April 2017

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 2003, L 299, S. 9).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Hannele Hälvä, Frau Sari Naukkarinen, Frau Pirjo Paajanen und Frau Satu Piik einerseits und ihrem Arbeitgeber, dem SOS-Lapsikylä ry, andererseits über dessen Weigerung, ihnen Vergütungen für in den Jahren 2006 bis 2009 geleistete Überstunden sowie Abend-, Nacht-, Samstags- und Sonntagsarbeit zu zahlen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In Art. 2 der Richtlinie 2003/88 heißt es:

„Im Sinne dieser Richtlinie sind:

  1. Arbeitszeit: jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt;
  2. Ruhezeit: jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit;

…”

Rz. 4

Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.”

Rz. 5

Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 sieht vor:

„Unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze des Schutzes der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer können die Mitgliedstaaten von den Artikeln 3 bis 6, 8 und 16 abweichen, wenn die Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen und/oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann, und zwar insbesondere in Bezug auf nachstehende Arbeitnehmer:

  1. leitende Angestellte oder sonstige Personen mit selbstständiger Entscheidungsbefugnis;
  2. Arbeitskräfte, die Familienangehörige sind;
  3. Arbeitnehmer, die im liturgischen Bereich von Kirchen oder Religionsgemeinschaften beschäftigt sind.”

Finnisches Recht

Rz. 6

§ 2 Abs. 1 des Työaikalaki (605/1996) (Gesetz [605/1996] über die Arbeitszeit, im Folgenden: Arbeitszeitgesetz) bestimmt:

„Dieses Gesetz gilt, mit Ausnahme von § 15 Abs. 3, nicht

3) für Arbeitsleistungen, die der Arbeitnehmer zuhause oder unter anderen Umständen erbringt, unter denen nicht angenommen werden kann, dass es ...

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