Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorabentscheidungsersuchen. Luftverkehr. Verordnung (EG) Nr. 261/2004. Art. 6 und 7. Flug mit Anschlussflügen. Feststellung einer Verspätung zum Zeitpunkt der Ankunft am Endziel. Verspätung von drei Stunden oder mehr. Ausgleichsanspruch der Fluggäste

 

Beteiligte

Folkerts

Air France SA

Heinz-Gerke Folkerts

Luz-Tereza Folkerts

 

Tenor

Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass auf seiner Grundlage dem Fluggast eines Fluges mit Anschlussflügen, dessen Verspätung zum Zeitpunkt des Abflugs unterhalb der in Art. 6 der Verordnung festgelegten Grenzen lag, der aber sein Endziel mit einer Verspätung von drei Stunden oder mehr gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit erreichte, eine Ausgleichszahlung zusteht, da diese Zahlung nicht vom Vorliegen einer Verspätung beim Abflug und somit nicht von der Einhaltung der in Art. 6 aufgeführten Voraussetzungen abhängt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 9. Dezember 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Januar 2011, in dem Verfahren

Air France SA

gegen

Heinz-Gerke Folkerts,

Luz-Tereza Folkerts

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten M. Ilešič und J. Malenovský (Berichterstatter), der Kammerpräsidentin M. Berger und des Kammerpräsidenten E. Jarašiūnas, der Richter E. Juhász, A. Borg Barthet und U. Lõhmus, der Richterin A. Prechal und der Richter C. G. Fernlund, J. L. da Cruz Vilaça und C. Vajda,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. November 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und M. Perrot als Bevollmächtigte,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von C. Colelli, avvocato dello Stato,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch M. Szpunar als Bevollmächtigten,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Ossowski als Bevollmächtigten im Beistand von D. Beard, Barrister,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Simonsson und K.-P. Wojcik als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 6 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. L 46, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Air France SA (im Folgenden: Air France) und Herrn und Frau Folkerts, von denen Letztere über eine Buchung für einen Flug von Bremen (Deutschland) über Paris (Frankreich) und São Paulo (Brasilien) nach Asunción (Paraguay) verfügte, wegen Ersatz des Schadens, der ihr infolge ihrer verspäteten Ankunft am Endziel entstanden sein soll.

Rechtlicher Rahmen

Völkerrecht

Rz. 3

Das am 28. Mai 1999 in Montreal geschlossene Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Übereinkommen von Montreal) wurde von der Europäischen Gemeinschaft am 9. Dezember 1999 unterzeichnet und in ihrem Namen durch den Beschluss 2001/539/EG des Rates vom 5. April 2001 (ABl. L 194, S. 38) genehmigt.

Rz. 4

Die Art. 17 bis 37 des Übereinkommens von Montreal bilden dessen Kapitel III („Haftung des Luftfrachtführers und Umfang des Schadensersatzes”).

Rz. 5

Art. 19 („Verspätung”) dieses Übereinkommens sieht vor:

„Der Luftfrachtführer hat den Schaden zu ersetzen, der durch Verspätung bei der Luftbeförderung von Reisenden, Reisegepäck oder Gütern entsteht. Er haftet jedoch nicht für den Verspätungsschaden, wenn er nachweist, dass er und seine Leute alle zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung des Schadens getroffen haben oder dass es ihm oder ihnen nicht möglich war, solche Maßnahmen zu ergreifen.”

Rz. 6

Nach Art. 22 Abs. 1 des Übereinkommens haftet der Luftfrachtführer für Verspätungsschäden bei der Beförderung von Personen nur bis zu einem Betrag von 4 150 Sonderziehungsrechten je Reisenden.

Unionsrecht

Rz. 7

Die Erwägungsgründe 1 bis 4 und 15 der Verordnung Nr. 261/2004 lauten:

„(1) Die Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich des Luftverkeh...

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