Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Mehrwertsteuer. Befreiungen. Versicherungsumsätze und dazugehörige Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden. Für einen Versicherer bereitgestellte, aus mehreren Dienstleistungen bestehende Leistung. Einstufung als einheitliche Leistung

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 135 Abs. 1 Buchst. a

 

Beteiligte

Q-GmbH

Q-GmbH

Finanzamt Z

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 05.09.2019; Aktenzeichen V R 58/17; BFH/NV 2020, 170)

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 22.06.2021; Aktenzeichen V R 10/21 (V R 58/17))

 

Tenor

Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass die darin vorgesehene Befreiung von der Mehrwertsteuer auf die von einem Steuerpflichtigen erbrachten Dienstleistungen in Form der Bereitstellung eines Versicherungsprodukts an eine Versicherungsgesellschaft und, als Nebenleistung, der Vermittlung dieses Produkts für Rechnung dieser Gesellschaft sowie der Verwaltung der geschlossenen Versicherungsverträge keine Anwendung findet, sofern das vorlegende Gericht diese Leistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer als einheitliche Leistung einstuft.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 5. September 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Dezember 2019, in dem Verfahren

Q-GmbH

gegen

Finanzamt Z

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot (Berichterstatter), des Richters L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader sowie der Richter M. Safjan und N. Jääskinen,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Q-GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte T. Küffner und M. Rust,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und S. Eisenberg als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Armenia und L. Mantl als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen der Q-GmbH und dem Finanzamt Z (Deutschland) über die Umsatzsteuer auf Leistungen, die Q einem Versicherer erbringt und die in der Gewährung einer Lizenz zur Verwendung eines Versicherungsprodukts, der Vermittlung dieses Produkts für Rechnung des Versicherers und der Durchführung der abgeschlossenen Versicherungsverträge bestehen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 1 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/112 lautet:

„Bei allen Umsätzen wird die Mehrwertsteuer, die nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstands oder der Dienstleistung errechnet wird, abzüglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat.”

Rz. 4

Der zu Kapitel 3 („Steuerbefreiungen für andere Tätigkeiten”) von Titel IX dieser Richtlinie gehörende Art. 135 bestimmt in Abs. 1:

„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

a) Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden;

…”

Deutsches Recht

Rz. 5

Nach § 4 Nr. 11 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) vom 21. Februar 2005 (BGBl. 2005 I S. 386) sind die Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter oder Versicherungsmakler steuerfrei.

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

Rz. 6

Q entwickelt, vermarktet und vermittelt Versicherungsprodukte. Im Rahmen ihrer Tätigkeiten schloss sie einen Vertrag mit einem Versicherer, der F-Versicherungs-AG (im Folgenden: F).

Rz. 7

Nach diesem Vertrag sollte Q drei Arten von Dienstleistungen erbringen. Erstens stellte sie F über eine nicht ausschließliche Nutzungslizenz ein zur Deckung besonderer Risiken entwickeltes Versicherungsprodukt zur Verfügung. Zweitens vermittelte Q für diesen Versicherer Versicherungsverträge, wobei sie die Policen erforderlichenfalls anpasste und die Risiken bewertete. Diese Verträge wurden zwischen dem Versicherer und den Versicherungsnehmern geschlossen. Drittens schließlich übernahm Q u. a. die Verwaltung dieser Verträge und die Schadensregulierung.

Rz. 8

Q erhielt von F für diese Dienstleistungen eine Vergütung in Form einer Courtage.

Rz. 9

Am 27. August 2012 reichte Q bei den deutschen Finanzbehörden ihre Umsatzsteuererklärung für das Steuerjahr 2011 ein. Sie machte in dieser Steuererklärung geltend, dass ihre sämtlichen Leistungen nach § 4 Nr. 11 UStG von der Umsatzsteuer befreit seien.

Rz. 10

Das Finanzamt Z folgte in seinem...

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