Entscheidungsstichwort (Thema)

Stillhalteklausel. Visumpflicht für die Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats. Freier Dienstleistungsverkehr. Recht eines türkischen Staatsangehörigen, in einen Mitgliedstaat einzureisen, um einen Familienangehörigen zu besuchen und potenziell Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen

 

Normenkette

Assoziierungsabkommen EWG-Türkei Zusatzprotokoll Art. 41 Abs. 1

 

Beteiligte

Demirkan

Leyla Ecem Demirkan

Bundesrepublik Deutschland

 

Tenor

Der Begriff „freier Dienstleistungsverkehr” in Art. 41 Abs. 1 des am 23. November 1970 in Brüssel unterzeichneten und durch die Verordnung (EWG) Nr. 2760/72 des Rates vom 19. Dezember 1972 im Namen der Gemeinschaft geschlossenen, gebilligten und bestätigten Zusatzprotokolls ist dahin auszulegen, dass er nicht die Freiheit türkischer Staatsangehöriger umfasst, sich als Dienstleistungsempfänger in einen Mitgliedstaat zu begeben, um dort eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 13. April 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Mai 2011, in dem Verfahren

Leyla Ecem Demirkan

gegen

Bundesrepublik Deutschland

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, L. Bay Larsen, T. von Danwitz und A. Rosas (Berichterstatter), der Kammerpräsidentin M. Berger, der Richter E. Levits, A. Ó Caoimh, J.-C. Bonichot und A. Arabadjiev, der Richterin C. Toader sowie der Richter J.-J. Kasel, M. Safjan und D. Šváby,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. November 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Frau Demirkan, vertreten durch Rechtsanwalt R. Gutmann,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze, J. Möller und K. Hailbronner als Bevollmächtigte,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,
  • der dänischen Regierung, vertreten durch C. Vang und V. Pasternak Jørgensen als Bevollmächtigte,
  • der estnischen Regierung, vertreten durch M. Linntam als Bevollmächtigte,
  • der griechischen Regierung, vertreten durch G. Karipsiades und T. Papadopoulou als Bevollmächtigte,
  • der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues, D. Colas und B. Beaupère-Manokha als Bevollmächtigte,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch B. Koopman, M. Bulterman und C. Wissels als Bevollmächtigte,
  • der slowakischen Regierung, vertreten durch B. Ricziová als Bevollmächtigte,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Ossowski und L. Christie als Bevollmächtigte im Beistand von R. Palmer, Barrister,
  • des Rates der Europäischen Union, vertreten durch J. Monteiro, E. Finnegan und Z. Kupčová als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun und G. Wils als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. April 2013

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 41 Abs. 1 des am 23. November 1970 in Brüssel unterzeichneten und durch die Verordnung (EWG) Nr. 2760/72 des Rates vom 19. Dezember 1972 (ABl. L 293, S. 1) im Namen der Gemeinschaft geschlossenen, gebilligten und bestätigten Zusatzprotokolls (im Folgenden: Zusatzprotokoll) und insbesondere des in dieser Bestimmung enthaltenen Begriffs „freier Dienstleistungsverkehr”.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Demirkan, einer türkischen Staatsangehörigen, und der Bundesrepublik Deutschland wegen der Ablehnung des Antrags von Frau Demirkan auf Erteilung eines Visums für den Besuch ihres in Deutschland lebenden Stiefvaters.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Assoziierungsabkommen

Rz. 3

Das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei wurde am 12. September 1963 in Ankara von der Republik Türkei einerseits sowie von den Mitgliedstaaten der EWG und der Gemeinschaft andererseits unterzeichnet und im Namen der Gemeinschaft durch den Beschluss 64/732/EWG des Rates vom 23. Dezember 1963 geschlossen, gebilligt und bestätigt (ABl. 1964, Nr. 217, S. 3685, im Folgenden: Assoziierungsabkommen).

Rz. 4

Nach seinem Art. 2 Abs. 1 hat das Assoziierungsabkommen zum Ziel, eine beständige und ausgewogene Verstärkung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien, auch im Bereich der Arbeitskräfte, durch die schrittweise Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 12 des Assoziierungsabkommens) sowie die Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit (Art. 13 des Abkommens) und des freien Dienstleistungsverkehrs (Art. 14 des Abkommens) zu fördern, um die Lebenshaltung des türkischen Volkes zu bessern und später den Beitritt der Republik Türkei zur Gemeinschaft zu erleichter...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge