Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Steuerrecht. Quellenbesteuerung der fiktiven Zinsen eines zinslosen Darlehens, das einer gebietsansässigen Gesellschaft von ihrer gebietsfremden Muttergesellschaft gewährt wird. Zinszahlungen zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten. Befreiung vom Steuerabzug an der Quelle. Ausschluss bestimmter Zahlungen. Körperschaftsteuer. Gewinnausschüttung einer gebietsansässigen Tochtergesellschaft an die gebietsfremde Muttergesellschaft. Ansammlung von Kapital. Kapitalzuführungen. Befreiung von direkten Steuern. Freier Kapitalverkehr. Besteuerung des Bruttobetrags der fiktiven Zinsen. Erstattungsverfahren, das zum Abzug der mit dem Darlehen zusammenhängenden Ausgaben dient und gegebenenfalls zu einer Rückzahlung führt. Unterschiedliche Behandlung. Rechtfertigung. Ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten. Effiziente Einziehung der Steuer. Bekämpfung der Steuerumgehung

 

Normenkette

EGRL 49/2003 Art. 1 Abs. 1; AEUV Art. 63

 

Beteiligte

Viva Telecom Bulgaria

Viva Telecom Bulgaria EOOD

Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika” – Sofia

 

Verfahrensgang

Varhoven administrativen sad (Bulgarien) (Beschluss vom 04.05.2020; ABl. EU 2020, Nr. C 279/36)

 

Tenor

1. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom 3. Juni 2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 Buchst. d dieser Richtlinie, Art. 5 der Richtlinie 2011/96/EU des Rates vom 30. November 2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten in der durch die Richtlinie (EU) 2015/121 des Rates vom 27. Januar 2015 geänderten Fassung und die Art. 3 und 5 der Richtlinie 2008/7/EG des Rates vom 12. Februar 2008 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung, die bei einem zinslosen Darlehen, das einer gebietsansässigen Tochtergesellschaft von ihrer gebietsfremden Muttergesellschaft gewährt wird, die Quellenbesteuerung der fiktiven Zinsen vorschreibt, die nach den Bedingungen des Marktes zu entrichten gewesen wären, nicht entgegenstehen.

2. Art. 63 AEUV ist in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, die bei einem zinslosen Darlehen, das einer gebietsansässigen Tochtergesellschaft von ihrer gebietsfremden Muttergesellschaft gewährt wird, die Quellenbesteuerung der fiktiven Zinsen vorschreibt, die nach den Bedingungen des Marktes zu entrichten gewesen wären, wenn dabei der Bruttobetrag dieser Zinsen zugrunde gelegt wird und die mit dem Darlehen zusammenhängenden Ausgaben in diesem Stadium nicht abgezogen werden können, sondern in der Folge ein entsprechender Antrag auf Neuberechnung der Quellensteuer und etwaige Erstattung gestellt werden muss, nicht entgegensteht, sofern das Verfahren, das die Regelung hierfür vorsieht, nicht übermäßig lang dauert und auf zu erstattende Beträge Zinsen zu entrichten sind.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Varhoven administrativen sad (Oberstes Verwaltungsgericht, Bulgarien) mit Entscheidung vom 4. Mai 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Juni 2020, in dem Verfahren

”Viva Telecom Bulgaria” EOOD

gegen

Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika” – Sofia,

Beteiligte:

Varhovna administrativna prokuratura na Republika Bulgaria,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan (Berichterstatter), des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Fünften Kammer, des Präsidenten der Vierten Kammer C. Lycourgos sowie der Richter I. Jarukaitis und M. Ilešič,

Generalanwalt: A. Rantos,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2021,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der „Viva Telecom Bulgaria” EOOD, zunächst vertreten durch D. Yordanov, M. Emanuilov und S. Hristozova-Yordanova, dann durch Y. Kamburov, E. Emanuilov, V. Rangelov, T. Todorov et D. Dimitrova, Advokati,
  • des Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika” – Sofia, vertreten durch N. Kalistratov und M. Bakalova als Bevollmächtigte,
  • der bulgarischen Regierung, vertreten durch T. Tsingileva und L. Zaharieva als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels und Y. Marinova als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. September 2021

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 4 und Art. 12 Buchst. b EUV, Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta), Art. 49 und 63 AEUV, Art. 4 Abs. 1 Buc...

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