Entscheidungsstichwort (Thema)

Zollamtliches Zurückhaltungsverfahren, Zurückhaltung von Durchfuhrwaren bei Verdacht der Markennachahmung unzulässig

 

Leitsatz (amtlich)

Artikel 28 EG ist dahin auszulegen, dass er es ausschließt, dass die Zollbehörden nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats über das geistige Eigentum Verfahren zur Zurückhaltung solcher Waren durchführen, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt wurden und dazu bestimmt sind, nach ihrer Durchfuhr durch das Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats in einem Drittland in den Verkehr gebracht zu werden.

 

Normenkette

EGVtr Art. 28

 

Beteiligte

Rioglass und Transremar

Administration des Douanes et Droits Indirects Frankreich

Rioglass SA

Transremar SL

 

Verfahrensgang

Cour de Cassation (Urteil vom 26.03.2002)

 

Tatbestand

Freier Warenverkehr - Maßnahmen gleicher Wirkung - Zollamtliche Zurückhaltungsverfahren - Waren im Durchfuhrverkehr, die in einem Drittstaat in den Verkehr gebracht werden sollen - Kraftfahrzeugteile

In der Rechtssache C-115/02

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG von der Cour de cassation (Frankreich) in dem bei dieser anhängigen Rechtsstreit

Administration des douanes et droits indirects

gegen

Rioglass SA,

Transremar SL

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 28 EG

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-P. Puissochet sowie der Richter C. Gulmann, V. Skouris (Berichterstatter), der Richterin F. Macken und des Richters J. N. Cunha Rodrigues,

Generalanwalt: J. Mischo,

Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- von Rioglass SA und Transremar SL, vertreten durch J.-P. Bellecave, avocat,

- der französischen Regierung, vertreten durch A. Colomb und G. de Bergues als Bevollmächtigte,

- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. I. Fernandes, A. S. Neves und J. S. de Andrade als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Tricot als Bevollmächtigten im Beistand von E. Cabau, avocat,

aufgrund des Berichts des Berichterstatters,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 20. März 2003

folgendes

Urteil

1.

Die Cour de cassation (Frankreich) hat mit Urteil vom 26. März 2002, beim Gerichtshof eingegangen am 2. April 2002, gemäß Artikel 234 EG eine Frage nach der Auslegung von Artikel 28 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2.

Diese Frage stellt sich im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Administration des douanes et droits indirects (im Folgenden: Zollverwaltung) und den Gesellschaften spanischen Rechts Rioglass SA (im Folgenden: Rioglass) und Transremar SL (im Folgenden: Transremar) über die Zurückhaltung in Spanien hergestellter und nach Polen transportierter Kraftfahrzeugteile wegen des Verdachts der Markennachahmung.

Nationaler rechtlicher Rahmen

3.

Artikel L.716-8 des Code de la propriété intellectuelle, der durch Artikel 11 des Gesetzes 94-102 vom 5. Februar 1994 (JORF vom 8. Februar 1994, S. 2151) eingeführt wurde, bestimmt:

Die Zollverwaltung kann auf schriftlichen Antrag des Inhabers einer eingetragenen Marke oder eines ausschließlichen Ausfuhrrechts im Rahmen ihrer Kontrollen diejenigen Waren zurückhalten, die nach seinen Angaben unter einer Marke angeboten werden, die die Marke nachahmt, für die er die Eintragung erwirkt hat oder für die ihm ein ausschließliches Nutzungsrecht zusteht.

Der Procureur de la République, der Antragsteller sowie der Anmelder oder der Besitzer der Waren sind von den Zolldienststellen unverzüglich über die von diesen vorgenommene Zurückhaltung zu unterrichten.

Die Zurückhaltungsmaßnahme wird von Rechts wegen aufgehoben, wenn der Antragsteller nicht innerhalb von zehn Werktagen, von der Mitteilung der Zurückhaltung der Waren an gerechnet, den Zolldienststellen nachweist:

- entweder dass Sicherungsmaßnahmen vom Präsidenten des Tribunal de grande instance beschlossen worden sind

- oder dass er den zivil- oder strafprozessualen Weg eingeschlagen und die erforderlichen Sicherheiten gestellt hat, um seine etwaige Haftung für den Fall abzudecken, dass die Nachahmung später nicht anerkannt wird. …

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

4.

Die Gesellschaft Rioglass erzeugt und vertreibt Fenster- und Windschutzscheiben für alle Fahrzeugmarken. Aus den Akten geht hervor, dass sie von der Gesellschaft Sogédac, die als Vermittlungsagentin und Einkaufszentrale mit der Zulassung der Lieferanten der Hersteller von Fahrzeugen der Marken Peugeot, Citroën und Renault betraut ist, als Lieferantin dieser Hersteller zugelassen wurde.

5.

Rioglass verkaufte im November 1997 der in Polen niedergelassenen Gesellschaft Jann eine Reihe von in Spanien rechtmäßig hergestellten Fenster- und Windschutzscheiben, die für Autos verschiedener Marken bestimmt waren. Mit der Beförderung dieser Waren wurde die Gesellschaft Transremar beauftragt. Die Waren wurden von Spanien mit einer am 24. November 1997 ausgeste...

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