Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Anwendungsbereich. Von einer als Zivilpartei auftretenden Person erhobene Klage. Rechtshängigkeit. Bei einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats anhängig gemachte Klage. Laufendes Ermittlungsverfahren. Zeitpunkt, zu dem ein Gericht als angerufen gilt

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 44/2001 Art. 1, 27, 30

 

Beteiligte

Aannemingsbedrijf Aertssen und Aertssen Terrassements

Aannemingsbedrijf Aertssen NV

Aertssen Terrassements SA

VSB Machineverhuur BV

Van Sommeren Bestrating BV

Jos van Sommeren

 

Tenor

1. Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass eine durch eine Zivilpartei bei einem Untersuchungsgericht eingereichte Klage in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt, soweit sie die finanzielle Entschädigung für den vom Kläger behaupteten Schaden zum Gegenstand hat.

2. Art. 27 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass eine Klage im Sinne dieser Bestimmung anhängig ist, wenn durch eine Zivilpartei bei einem Untersuchungsgericht eine Klage eingereicht worden ist, obwohl die gerichtliche Voruntersuchung der betreffenden Rechtssache noch nicht abgeschlossen ist.

3. Art. 30 der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass, wenn eine Person bei einem Untersuchungsgericht als Zivilpartei Klage erhebt, indem sie ein Schriftstück einreicht, das nach dem anwendbaren nationalen Recht vor dieser Einreichung nicht zugestellt zu werden braucht, das Gericht als zu dem Zeitpunkt angerufen anzusehen ist, zu dem diese Klage eingereicht wurde.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Rechtbank Gelderland (Gericht Gelderland, Niederlande) mit Entscheidung vom 12. November 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 20. November 2014, in dem Verfahren

Aannemingsbedrijf Aertssen NV,

Aertssen Terrassements SA

gegen

VSB Machineverhuur BV,

Van Sommeren Bestrating BV,

Jos van Sommeren

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer M. Ilešič in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) sowie der Richter J.-C. Bonichot, E. Jarašiūnas und C. G. Fernlund,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der VSB Machineverhuur BV, der Van Sommeren Bestrating BV und von Herrn van Sommeren, vertreten durch R. van Seumeren, advocaat,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin und G. Wils als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 1, 27 und 30 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den Gesellschaften belgischen Rechts Aannemingsbedrijf Aertssen NV und Aertssen Terrassements SA (im Folgenden zusammen: Aertssen Gesellschaften) auf der einen und den Gesellschaften niederländischen Rechts VSB Machineverhuur BV und Van Sommeren Bestrating BV sowie Herrn van Sommeren (im Folgenden zusammen: VSB u. a.) auf der anderen Seite wegen eines VSB u. a. vorgeworfenen betrügerischen Verhaltens.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Der 15. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 lautet:

„Im Interesse einer abgestimmten Rechtspflege müssen Parallelverfahren so weit wie möglich vermieden werden, damit nicht in zwei Mitgliedstaaten miteinander unvereinbare Entscheidungen ergehen. Es sollte eine klare und wirksame Regelung zur Klärung von Fragen der Rechtshängigkeit und der im Zusammenhang stehenden Verfahren sowie zur Verhinderung von Problemen vorgesehen werden, die sich aus der einzelstaatlich unterschiedlichen Festlegung des Zeitpunkts ergeben, von dem an ein Verfahren als rechtshängig gilt. Für die Zwecke dieser Verordnung sollte dieser Zeitpunkt autonom festgelegt werden.”

Rz. 4

Kapitel I („Anwendungsbereich”) dieser Verordnung enthält nur Art. 1, dessen Abs. 1 bestimmt:

„Diese Verordnung ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. Sie erfasst insbesondere nicht Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten.”

Rz. 5

Art. 5 in Kapitel II Abschnitt 2 („Besondere Zuständigkeiten”) der Verordnung sieht vor:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:

Rz. 4.

wenn es sich um eine Klage auf Schadensersa...

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