Vorsteuerabzug für den Bau einer Hängeseilbrücke

Der Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen für Leistungen im Zuge der Erstellung einer kostenlos nutzbaren Touristenattraktion (hier: Hängeseilbrücke) kann dann in Betracht kommen, wenn die Eingangsleistungen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer entgeltlichen Leistung (hier: Parkraumbewirtschaftung) stehen.

Hintergrund: Hängeseilbrücke Geierlay

Streitig war der Vorsteuerabzug aus Aufwendungen für den Bau einer Hängeseilbrücke als Touristenattraktion. Es handelt sich um die in 2015 erbaute Hängeseilbrücke Geierlay in der Gemeinde Mörsdorf im Hunsrück (Rheinland-Pfalz). Die 360 m lange Brücke überspannt in 100 m Höhe das Mörsdorfer Bachtal. Die Gemeinde (G) erhielt hierfür Fördermittel aus dem europäischen Landwirtschaftsfonds zur Förderung des ländlichen Raums unter der Bedingung, dass die Brücke der Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung steht. Allerdings erzielt G erhebliche Einnahmen aus der Vermietung von Parkplätzen, die sie den Besuchern gebührenpflichtig bereitstellt.

G machte für 2013 bis 2016 den Vorsteuerabzug nicht nur aus den Kosten für die Errichtung der Parkplätze geltend, sondern auch für den Bau der Brücke und des Besucherzentrums sowie für den Betrieb einer Internetseite.

Das FA war der Auffassung, der Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen für die Brücke sei nicht abziehbar, da die Brücke nicht mit Einnahmeerzielungsabsicht und damit nichtwirtschaftlich betrieben werde. Für die Errichtung des Besucherzentrums und der Parkplätze fehle der unmittelbare Zusammenhang zwischen den Vermietungsumsätzen und den Eingangsleistungen zur Errichtung der Brücke. Für das Besucherzentrum berücksichtigte das FA die Vorsteuer nur zu 90 %, da ein Raum nicht für gewerbliche Zwecke vermietet wurde. Weitere Aufwendungen (Beschilderung der Wanderwege, Einweihung der Brücke, Internetauftritt, Öffentlichkeitsarbeit) berücksichtigte das FA nur zur Hälfte, da sie auch die nichtwirtschaftliche Tätigkeit (Brücke) beträfen.

Das FG widersprach dem FA und gab der Klage statt. G werde mit der Erhebung von Parkgebühren unternehmerisch (nicht hoheitlich) tätig. Mit der Touristenattraktion werde das Ziel verfolgt, Einnahmen durch die Parkgebühren zu erzielen.

Entscheidung: Direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangsumsätzen (Brücke) und Ausgangsumsätzen (Parkplätze)

Der BFH bestätigt die Auffassung des FG. G steht der Vorsteuerabzug dem Grunde nach zu. Allerdings war G bis zur Umwidmung des zunächst nicht gebührenpflichtigen Busparkplatzes insoweit auch nicht wirtschaftlich tätig. Der BFH verwies die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das FG zurück.

Unmittelbarer Zusammenhang mit einer entgeltlichen Leistung

Nach der Auslegung des Art. 168 Buchst. a MwStSystRL "für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet" muss ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung bestehen, es sei denn, es handele sich um die allgemeinen Aufwendungen, die direkt und unmittelbar mit der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen (BFH v. 16.12.2020, XI R 13/19, BFH/NV 2021, 901).

Zusammenhang zwischen Errichtung der Brücke und Parkplatzvermietung

Im Streitfall ist ein unmittelbarer Zusammenhang im Sinne eines Leistungsaustauschs gegeben. Der BFH verweist dazu auf den vom EuGH entschiedenen vergleichbaren Fall der Errichtung eines Freizeitwegs durch ein im Tourismus tätiges Unternehmen (EuGH "Sveda" v. 22.10.2015, C-126/14, EU:C:2015:712). Der unmittelbare Zusammenhang ergibt sich zum einen aus der Zweckrichtung der Gemeinde. Denn bei der Finanzierung der Brücke spielte für G die Erzielung von Einnahmen durch Parkgebühren eine Rolle. Zum anderen war die Brücke der Anlass, die Ausgangsleistungen (gebührenpflichtige Parkplatznutzung) überhaupt in Anspruch zu nehmen. Ohne den Besuch der Brücke bestand keinerlei Anlass, gebührenpflichtige Parkplätze zu nutzen, und ohne die Brücke war es nicht möglich, mit den Parkplätzen Einnahmen zu erzielen.

Die Gemeinde handelte als Unternehmerin

Eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist Unternehmer, wenn sie eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Handelt sie dabei nicht auf privatrechtlicher, sondern auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, ist sie nur Unternehmer, wenn eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde (z.B. BFH v. 15.4.2010, V R 10/09, BStBl II 2017, 863). Ab 01.06.2016 handelte G anhand einer Gebührenordnung und damit auf öffentlich-rechtlicher Grundlage. Die Behandlung als Nichtunternehmerin würde jedoch zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen. Dabei ist die Art der Tätigkeit (ohne Bezug auf den lokalen Markt) entscheidend. Der BFH hat bereits entschieden, dass mit dem Betrieb von selbständigen Parkplatzflächen durch die öffentlich-rechtliche Körperschaft größere Wettbewerbsverzerrungen entstehen (BFH v. 1.21.2011, V R 1/11, BStBl II 2017, 834).

Zurückverweisung an das FG

Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Dieses hat nicht beachtet, dass der Busparkplatz bis zum 1.6.2016 ohne Entgelt (und damit nichtwirtschaftlich) genutzt wurde. Die Vorsteuern betreffend den Busparkplatz selbst sind daher vollumfänglich nicht abziehbar. Für die anderen Investitionen ist der Vorsteuerabzug anteilig zu kürzen (EuGH-Urt. Balgarska natsionalna televizia vom 16.9.2021, C-21/20, EU:C:2021:743, Rz 53).

Vorsteueraufteilung

G hat somit in allen Streitjahren sowohl eine zum Vorsteuerabzug berechtigende, wirtschaftliche Tätigkeit (entgeltliche PKW-Parkplatz-Überlassung) als auch eine den Vorsteuerabzug ausschließende, nichtwirtschaftliche Tätigkeit (unentgeltliche Busparkplatz-Überlassung) ausgeübt. Daher ist beim Leistungsbezug jeweils eine Vorsteueraufteilung vorzunehmen (BFH v. 6.4.2016, V R 6/14, BStBl II 2017, 577). Gegenstand dieser Vorsteueraufteilung sind auch die Vorsteuern für die Brücke, das Besucherzentrum und den Internet-Auftritt. Denn diese Investitionen sollten Touristen (unabhängig von ihrer Anreise per PKW oder Bus) anziehen (bzw. von diesen tatsächlich genutzt werden). Die Aufteilung kann analog § 15 Abs. 4 UStG durch Schätzung erfolgen.

Hinweis: Keine Zweckgerichtetheit der Eingangsleistung

Das FA hatte eingewandt, das EuGH-Urt. "Sveda" v. 22.10.2015, C-126/14 (EU:C:2015:712) sei nicht auf den Streitfall übertragbar. Denn dort habe ein bereits im Tourismus tätiges Unternehmen (Hotelbetrieb) einen Freizeitweg gebaut, um den Touristen Souvenirs usw. anzubieten. Dagegen sei im Streitfall die Annahme, die Brücke sei errichtet worden, damit Gäste zum Parken kämen, nicht nachvollziehbar. Dazu stellt der BFH klar, dass es sich für den Vorsteuerabzug nicht um zweckgerichtete Eingangsleistungen handeln muss. Entscheidend ist allein, dass ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Investition und dem Ausgangsumsatz unabhängig vom verfolgten Zweck der wirtschaftlichen Tätigkeit und ihres Erfolges auf der Eingangsstufe besteht (EuGH "The Chancellor, Masters and Scholars of the University of Cambridge" v. 3.7.2019, C-316/18, EU:C:2019:559).

BFH Urteil vom 20.10.2021 - XI R 10/21 (veröffentlicht am 17.03.2022)

Alle am 17.03.2022 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen.

Schlagworte zum Thema:  Vorsteuerabzug, Umsatzsteuer, Gemeinde