Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Verbraucherschutz. Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. Hypothekendarlehensvertrag. Notarielle Urkunde. Erteilung der Vollstreckungsklausel durch einen Notar. Umkehr der Beweislast. Klare und verständliche Abfassung

 

Normenkette

Richtlinie 93/13/EWG Art. 3 Abs. 1, 3; Richtlinie 93/13/EWG Anhang Nr. 1 Buchst. q Art. 5 Abs. 1, Buchst. m Art. 5 Abs. 1

 

Beteiligte

Lovasné Tóth

Ottília Lovasné Tóth

ERSTE Bank Hungary Zrt

 

Tenor

1. Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen in Verbindung mit Nr. 1 Buchst. q des Anhangs dieser Richtlinie ist dahin auszulegen, dass danach eine nicht im Einzelnen ausgehandelte Vertragsklausel, die auf eine Beweislastumkehr zulasten des Verbrauchers abzielt oder diese zur Folge hat, nicht allgemein und ohne weitere Prüfung als missbräuchlich zu qualifizieren ist.

2. Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 93/13 in Verbindung mit Nr. 1 Buchst. q des Anhangs dieser Richtlinie ist zum einen dahin auszulegen, dass er keine Klausel erfasst, die darauf abzielt oder zur Folge hat, dass der Verbraucher Grund zu der Annahme hat, er sei selbst dann verpflichtet, alle seine vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen, wenn er der Ansicht ist, dass bestimmte Leistungen nicht geschuldet würden, da diese Klausel unter Berücksichtigung der anwendbaren nationalen Regelung seine Rechtsstellung nicht beeinträchtigt, und zum anderen dahin, dass er eine Klausel erfasst, die darauf abzielt oder zur Folge hat, dem Verbraucher die Möglichkeit zu erschweren, Rechtsbehelfe bei Gericht einzulegen oder sonstige Beschwerdemittel zu ergreifen, wenn der geschuldete Restbetrag durch mit Beweiskraft ausgestattete notarielle Urkunde festgestellt wird, was dem Gläubiger die einseitige und endgültige Beendigung des Rechtsstreits ermöglicht.

3. Art. 5 der Richtlinie 93/13 ist dahin auszulegen, dass diese Bestimmung nicht verlangt, dass der Gewerbetreibende Zusatzinformationen zu einer Klausel bereitstellt, die klar abgefasst ist, deren Rechtswirkungen sich aber nur durch Auslegung nationaler Rechtsvorschriften feststellen lassen, zu denen keine einheitliche Rechtsprechung besteht.

4. Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 93/13 in Verbindung mit Nr. 1 Buchst. m des Anhangs dieser Richtlinie ist dahin auszulegen, dass er keine Vertragsklausel erfasst, die den Gewerbetreibenden ermächtigt, einseitig zu beurteilen, ob die dem Verbraucher obliegende Leistung vertragsgemäß war.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Fővárosi Ítélőtábla (Hauptstädtisches Tafelgericht, Ungarn) mit Entscheidung vom 9. Januar 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 18. Januar 2018, in dem Verfahren

Ottília Lovasné Tóth

gegen

ERSTE Bank Hungary Zrt.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal (Berichterstatterin), der Richter F. Biltgen, J. Malenovský und C. G. Fernlund sowie der Richterin L. S. Rossi,

Generalanwalt: G. Hogan,

Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. Januar 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Frau Lovasné Tóth, vertreten durch G. Némethi, ügyvéd,
  • der ERSTE Bank Hungary Zrt., vertreten durch T. Kende und P. Sonnevend, ügyvédek,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch N. Ruiz García und A. Tokár als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. März 2019

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 3 und 5 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29) sowie von Nr. 1 Buchst. m und q des Anhangs dieser Richtlinie.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Ottília Lovasné Tóth (im Folgenden: Darlehensnehmerin) und der ERSTE Bank Hungary Zrt. (im Folgenden: Bank) wegen einer Klage auf Feststellung der behaupteten Missbräuchlichkeit einer Klausel in einem auf eine Fremdwährung lautenden Hypothekendarlehensvertrag.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Im fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 heißt es:

„Die Verbraucher kennen im Allgemeinen nicht die Rechtsvorschriften, die in anderen Mitgliedstaaten für Verträge über den Kauf von Waren oder das Angebot von Dienstleistungen gelten. Diese Unkenntnis kann sie davon abhalten, Waren und Dienstleistungen direkt in anderen Mitgliedstaaten zu ordern.”

Rz. 4

Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:

„Eine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, ist als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.”

Rz. 5

Art....

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