Entscheidungsstichwort (Thema)

Umweltverträglichkeitsprüfung bei Projekten. Richtlinie 85/337/EWG. Geltungsbereich. Begriff des ‚besonderen einzelstaatlichen Gesetzgebungsakts’. Aarhus-Übereinkommen. Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten. Umfang des Rechts auf Überprüfung eines Gesetzgebungsakts

 

Beteiligte

Boxus und Roua

Willy Roua

Guido Durlet u. a

Paul Fastrez

Henriette Fastrez

Philippe Daras

Association des riverains et habitants des communes proches de l'aéroport BSCA (Brussels South Charleroi Airport) (ARACh)

Bernard Page

Léon L'Hoir

Nadine Dartois

Région wallonne

 

Tenor

1. Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten in der durch die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass vom Geltungsbereich dieser Richtlinie nur Projekte ausgeschlossen sind, die im Einzelnen durch einen besonderen Gesetzgebungsakt genehmigt worden sind, so dass die Ziele dieser Richtlinie durch das Gesetzgebungsverfahren erreicht worden sind. Es ist Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung sowohl des Inhalts des erlassenen Gesetzgebungsakts als auch des gesamten Gesetzgebungsverfahrens, das zu seinem Erlass geführt hat, und insbesondere der vorbereitenden Arbeiten und der parlamentarischen Debatten zu prüfen, ob diese beiden Voraussetzungen erfüllt worden sind. In diesem Zusammenhang kann ein Gesetzgebungsakt, mit dem lediglich ein bereits erlassener Verwaltungsakt „ratifiziert” wird und der sich damit begnügt, zwingende Gründe des Allgemeininteresses anzuführen, ohne dass zuvor ein die Sachfragen betreffendes Gesetzgebungsverfahren durchgeführt wird, das es erlaubt, diese Voraussetzungen zu erfüllen, nicht als besonderer Gesetzgebungsakt im Sinne dieser Bestimmung betrachtet werden und genügt daher nicht, um ein Projekt vom Geltungsbereich der Richtlinie 85/337 in der durch die Richtlinie 2003/35 geänderten Fassung auszuschließen.

2. Art. 9 Abs. 2 des am 25. Juni 1998 abgeschlossenen und im Namen der Europäischen Gemeinschaft durch den Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 genehmigten Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten und Art. 10a der Richtlinie 85/337 in der durch die Richtlinie 2003/35 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass,

  • wenn ein Projekt, das in den Geltungsbereich dieser Bestimmungen fällt, durch einen Gesetzgebungsakt genehmigt worden ist, die Frage, ob dieser Gesetzgebungsakt die in Art. 1 Abs. 5 dieser Richtlinie festgelegten Voraussetzungen erfüllt, nach den nationalen Verfahrensvorschriften einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle vorgelegt werden können muss;
  • falls gegen eine solche Maßnahme kein Rechtsbehelf von der Art und dem Umfang, wie sie vorstehend dargestellt worden sind, eröffnet ist, es jedem nationalen Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit befasst wird, obliegt, die im vorhergehenden Gedankenstrich beschriebene Prüfung durchzuführen und gegebenenfalls die Konsequenzen daraus zu ziehen, indem es diesen Gesetzgebungsakt unangewandt lässt.
 

Tatbestand

In den verbundenen Rechtssachen

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Conseil d'État (Belgien) mit Entscheidungen vom 27. und 31. März 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 6., 9. und 10. April 2009, in den Verfahren

Antoine Boxus,

Willy Roua (C-128/09),

Guido Durlet u. a. (C-129/09),

Paul Fastrez,

Henriette Fastrez (C-130/09),

Philippe Daras (C-131/09),

Association des riverains et habitants des communes proches de l'aéroport BSCA (Brussels South Charleroi Airport) (ARACh) (C-134/09 und C-135/09),

Bernard Page (C-134/09),

Léon L'Hoir,

Nadine Dartois (C-135/09)

gegen

Région wallonne,

Beteiligte:

Société régionale wallonne du transport (SRWT) (C-128/09 und C-129/09),

Infrabel SA (C-130/09 und C-131/09),

Société wallonne des aéroports (SOWAER) (C-135/09)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts und J.-C. Bonichot (Berichterstatter), der Richter K. Schiemann, E. Juhász, G. Arestis, A. Borg Barthet, M. Ilešič und A. Arabadjiev, der Richterin C. Toader sowie des Richters J.-J. Kasel,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juni 2010,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Boxus, Herrn Roua, Herrn Durlet u. a., vertreten durch Rechtsanwältin A. Kettels,
  • von Herrn und Frau Fastrez, vertreten durch T. Vandenput, avocat,
  • der Association des riverains et habitants des communes proches de l'aéroport BSCA (Brussels South Charleroi Airport) (ARACh) sowie von Herrn Page, Herrn L'Hoir und Frau Dartois, vertreten d...

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