Entscheidungsstichwort (Thema)

Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen. Befugnis der Mitgliedstaaten, vom Behördenbegriff dieser Richtlinie Gremien auszunehmen, die in gesetzgebender Eigenschaft handeln. Grenzen

 

Normenkette

Richtlinie 2003/4/EG

 

Beteiligte

Deutsche Umwelthilfe

Deutsche Umwelthilfe e. V

Bundesrepublik Deutschland

 

Tenor

Art. 2 Nr. 2 Satz 2 der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates ist dahin auszulegen, dass die den Mitgliedstaaten darin eingeräumte Befugnis, „Gremien oder Einrichtungen …, soweit sie in … gesetzgebender Eigenschaft handeln”, nicht als Behörden anzusehen, die Zugang zu den bei ihnen vorhandenen Umweltinformationen gewähren müssen, nicht für Ministerien gelten kann, wenn sie Recht ausarbeiten und setzen, das im Rang unter einem Gesetz steht.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgericht Berlin (Deutschland) mit Entscheidung vom 22. September 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Oktober 2011, in dem Verfahren

Deutsche Umwelthilfe e. V.

gegen

Bundesrepublik Deutschland

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis, J.-C. Bonichot (Berichterstatter), A. Arabadjiev und J. L. da Cruz Vilaça,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 2013,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • des Deutsche Umwelthilfe e. V., vertreten durch Rechtsanwalt R. Klinger,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und A. Wiedmann als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Oliver und D. Düsterhaus als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 21. März 2013

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Nr. 2 Satz 2 der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG (ABl. L 41, S. 26).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Deutsche Umwelthilfe e. V. und der Bundesrepublik Deutschland wegen eines Antrags des Vereins auf Zugang zu beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie vorhandenen Informationen über den Schriftverkehr, den dieses Ministerium mit Vertretern der deutschen Automobilindustrie zur Abstimmung im Vorfeld des Erlasses einer Regelung zur Energieverbrauchskennzeichnung geführt hat.

Rechtlicher Rahmen

Übereinkommen von Aarhus

Rz. 3

Das mit dem Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 (ABl. L 124, S. 1) im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigte Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (im Folgenden: Übereinkommen von Aarhus) bestimmt in Art. 2 Nr. 2 den Begriff der Behörde wie folgt:

„a) eine Stelle der öffentlichen Verwaltung auf nationaler, regionaler und anderer Ebene;

Diese Begriffsbestimmung umfasst keine Gremien oder Einrichtungen, die in gerichtlicher oder gesetzgebender Eigenschaft handeln.”

Rz. 4

Art. 4 des Übereinkommens von Aarhus sieht unter einer Reihe von Vorbehalten und Bedingungen vor, dass jede Vertragspartei sicherzustellen hat, dass die Behörden im Rahmen der innerstaatlichen Rechtsvorschriften der Öffentlichkeit Informationen über die Umwelt auf Antrag zur Verfügung stellen.

Rz. 5

Art. 8 des Übereinkommens von Aarhus („Öffentlichkeitsbeteiligung während der Vorbereitung exekutiver Vorschriften und/oder allgemein anwendbarer rechtsverbindlicher normativer Instrumente”) sieht vor:

„Jede Vertragspartei bemüht sich, zu einem passenden Zeitpunkt und solange Optionen noch offen sind, eine effektive Öffentlichkeitsbeteiligung während der durch Behörden erfolgenden Vorbereitung exekutiver Vorschriften und sonstiger allgemein anwendbarer rechtsverbindlicher Bestimmungen, die eine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben können, zu fördern. …

…”

Unionsrecht

Rz. 6

In der Erklärung der Europäischen Gemeinschaft zu einigen besonderen Bestimmungen im Rahmen der Richtlinie 2003/4 im Anhang des Beschlusses 2005/370 heißt es:

„Die Europäische Gemeinschaft ersucht die Parteien des Übereinkommens von Aarhus, im Zusammenhang mit Artikel 9 dieses Übereinkommens Kenntnis von Artikel 2 Absatz 2 und Artikel 6 der Richtlinie [2003/4] zu nehmen. Durch diese Bestimmungen wird den Mitgliedstaaten der [Europäischen Union] in Ausnahmefällen und unter genau festgelegten Voraussetzungen die Möglichkeit eingeräumt, bestimmte Gremien und Einrichtungen von den Vorschriften über Überprüfungsverfahren im Zusammenhang mit Entscheidungen über Anträge auf Z...

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