Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Insolvenzverfahren. Benachteiligende Handlungen. Klage auf Erstattung vor dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgter Zahlungen. Recht des Mitgliedstaats der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Recht eines anderen Mitgliedstaats, dem die betreffende Handlung unterliegt. Recht, nach dem ‚in diesem Fall diese Handlung in keiner Weise … angreifbar ist’. Beweislast”

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 Art. 4, 13

 

Beteiligte

Nike European Operations Netherlands

Nike European Operations Netherlands BV

Sportland Oy in Liquidation

 

Tenor

1. Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren ist dahin auszulegen, dass seine Anwendung voraussetzt, dass die betreffende Handlung nach dem für diese Handlung geltenden Recht (lex causae) unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles unanfechtbar ist.

2. Im Hinblick auf die Anwendung von Art. 13 der Verordnung Nr. 1346/2000 und in dem Fall, dass der Anfechtungsgegner bei einer Klage auf Nichtigkeit, Anfechtung oder Feststellung der relativen Unwirksamkeit einer Handlung eine Vorschrift des für diese Handlung geltenden Rechts (lex causae) geltend macht, nach der diese Handlung nur unter den in dieser Vorschrift vorgesehenen Umständen anfechtbar ist, obliegt es dem Anfechtungsgegner, das Nichtvorliegen dieser Umstände geltend zu machen und nachzuweisen.

3. Art. 13 der Verordnung Nr. 1346/2000 ist dahin auszulegen, dass die Wendung „diese Handlung in keiner Weise … angreifbar ist” neben den insolvenzrechtlichen Vorschriften des für diese Handlung geltenden Rechts (lex causae) sämtliche Vorschriften und allgemeinen Grundsätze dieses Rechts erfasst.

4. Art. 13 der Verordnung Nr. 1346/2000 ist dahin auszulegen, dass der Anfechtungsgegner bei einer Klage auf Nichtigkeit, Anfechtung oder Feststellung der relativen Unwirksamkeit einer Handlung nachweisen muss, dass das für diese Handlung geltende Recht (lex causae) in seiner Gesamtheit es nicht ermöglicht, diese Handlung anzufechten. Das mit einer solchen Klage befasste nationale Gericht kann nur dann davon ausgehen, dass der Anfechtende das Vorliegen einer Vorschrift oder eines Grundsatzes dieses Rechts, wonach diese Handlung angefochten werden kann, nachzuweisen hat, wenn es der Ansicht ist, dass der Anfechtungsgegner zuvor nach den allgemein anwendbaren Vorschriften seines nationalen Verfahrensrechts tatsächlich nachgewiesen hat, dass die betreffende Handlung nach diesem Recht unanfechtbar ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Helsingin hovioikeus (Berufungsgericht Helsinki, Finnland) mit Entscheidung vom 26. Juni 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 30. Juni 2014, in dem Verfahren

Nike European Operations Netherlands BV

gegen

Sportland Oy in Liquidation

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Zehnten Kammer F. Biltgen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Sechsten Kammer sowie der Richterin M. Berger (Berichterstatterin) und des Richters S. Rodin,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Nike European Operations Netherlands BV, vertreten durch A. Saarikivi, asianajaja,
  • der finnischen Regierung, vertreten durch H. Leppo als Bevollmächtigte,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch L. Banciella Rodríguez-Miñón als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Paasivirta und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 Buchst. m und Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. L 160, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Nike European Operations Netherlands BV (im Folgenden: Nike) und der Sportland Oy, in Liquidation, (im Folgenden: Sportland) wegen einer Insolvenzanfechtungsklage.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Der 24. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1346/2000 lautet:

„Die automatische Anerkennung eines Insolvenzverfahrens, auf das regelmäßig das Recht des Eröffnungsstaats Anwendung findet, kann mit den Vorschriften anderer Mitgliedstaaten für die Vornahme von Rechtshandlungen kollidieren. Um in den anderen Mitgliedstaaten als dem Staat der Verfahrenseröffnung Vertrauensschutz und Rechtssicherheit zu gewährleisten, sollten eine Reihe von Ausnahmen von der allgemeinen Vorschrift vorgesehen werden.”

Rz. 4

Art. 4 dieser Verordnung bestimmt:

„(1) Soweit diese Verordnung nichts anderes bestimmt, gilt für das Insolvenzv...

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