Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Insolvenzverfahren. Rechtshandlungen, die die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen. Voraussetzungen, unter denen die fragliche Rechtshandlung angefochten werden kann. Rechtshandlung, für die das Recht eines anderen Mitgliedstaats als des Staates der Verfahrenseröffnung maßgeblich ist. Rechtshandlung, die nach diesem Recht nicht angreifbar ist. Von den Parteien gewähltes Recht. Belegenheit aller Elemente des betreffenden Sachverhalts im Staat der Verfahrenseröffnung. Auswirkung

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 Art. 4, 13; Verordnung (EG) Nr. 593/2008 Art. 3 Abs. 3

 

Beteiligte

Vinyls Italia

Vinyls Italia SpA

Mediterranea di Navigazione SpA

 

Tenor

1. Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren ist dahin auszulegen, dass die Frage, in welcher Form und innerhalb welcher Frist die Person, die durch eine die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligende Handlung begünstigt wurde, eine Einrede gemäß dieser Vorschrift erheben muss, um einer Klage entgegenzutreten, mit der diese Handlung gemäß derlex fori concursusangefochten wird, sowie die Frage, ob diese Vorschrift von dem zuständigen Gericht auch von Amts wegen angewandt werden darf – gegebenenfalls nach Ablauf der für die betreffende Partei geltenden Frist –, dem Verfahrensrecht des Mitgliedstaats unterliegen, in dem der Rechtsstreit anhängig ist. Dieses Recht darf allerdings nicht ungünstiger sein als dasjenige, das gleichartige Sachverhalte regelt, die dem innerstaatlichen Recht unterliegen (Äquivalenzgrundsatz), und darf die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz), was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

2. Art. 13 der Verordnung Nr. 1346/2000 ist dahin auszulegen, dass die beweisbelastete Partei nachweisen muss, dass, wenn dielex causaedie Anfechtung einer als benachteiligend angesehenen Handlung zulässt, die von derlex fori concursusabweichenden Voraussetzungen, die für eine erfolgreiche Anfechtung dieser Handlung erfüllt sein müssen, im konkreten Fall nicht vorliegen.

3. Art. 13 der Verordnung Nr. 1346/2000 kann wirksam geltend gemacht werden, wenn die Vertragsparteien, die in ein und demselben Mitgliedstaat ansässig sind, in dem auch alle anderen maßgeblichen Elemente des betreffenden Sachverhalts belegen sind, als auf diesen Vertrag anzuwendendes Recht das Recht eines anderen Mitgliedstaats bestimmt haben, vorausgesetzt, dass die Parteien dieses Recht nicht in betrügerischer oder missbräuchlicher Weise gewählt haben, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale Ordinario di Venezia (erstinstanzliches Gericht Venedig, Italien) mit Entscheidung vom 7. Januar 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Januar 2016, in dem Verfahren

Vinyls Italia SpA in Insolvenz

gegen

Mediterranea di Navigazione SpA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça, der Richterin M. Berger (Berichterstatterin) sowie der Richter A. Borg Barthet, E. Levits und F. Biltgen,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. Dezember 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Vinyls Italia SpA in Insolvenz, vertreten durch S. Girotto, F. Marrella und M. Pizzigati, avvocati,
  • der Mediterranea di Navigazione SpA, vertreten durch M. Maresca, F. Campodonico, L. Fabro und G. Duca, avvocati,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand zunächst von D. Del Gaizo, dann von P. Pucciariello, avvocati dello Stato,
  • der griechischen Regierung, vertreten durch E. Zisi und S. Charitaki als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Montaguti, M. Heller und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. März 2017

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. 2000, L 160, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Vinyls Italia SpA in Insolvenz und der Mediterranea di Navigazione SpA (im Folgenden: Mediterranea) über eine Insolvenzanfechtung, mit der angestrebt wird, dass Mediterranea die Beträge zurückgewährt, die Vinyls Italia ihr in den letzten sechs Monaten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gezahlt haben soll.

Rechtlicher Rahmen

Übereinkommen von Rom

Rz. 3

Art. 3 Abs. 1 des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, aufgelegt zur Unterzeichnung am 19. Juni 1980 in Rom (ABl. 1980, L 266, S. 1, im Folgenden: Übereinkommen von Rom), bestimmt...

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