Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Übereinkommen von Aarhus. Recht auf Zugang zu Umweltinformationen, die bei den Behörden vorhanden sind. Begriff „Behörde”. Gremien oder Einrichtungen, die in gerichtlicher Eigenschaft handeln. Informationen, die in den Akten eines abgeschlossenen Gerichtsverfahrens enthalten sind

 

Normenkette

Richtlinie 2003/4/EG Art. 2 Nr. 2

 

Beteiligte

Friends of the Irish Environment Ltd

Friends of the Irish Environment Ltd

Commissioner for Environmental Information

 

Tenor

Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates ist dahin auszulegen, dass er nicht den Zugang zu in Gerichtsakten enthaltenen Umweltinformationen regelt, da Gerichte sowie Gremien oder Einrichtungen, die unter ihrer Kontrolle und somit in enger Verbindung zu ihnen stehen, keine „Behörden” im Sinne dieser Bestimmung sind und deshalb nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom High Court (Hoher Gerichtshof, Irland) mit Entscheidung vom 21. Mai 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Juni 2019, in dem Verfahren

Friends of the Irish Environment Ltd

gegen

Commissioner for Environmental Information,

Beteiligter:

Courts Service of Ireland,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot (Berichterstatter), der Vizepräsidentin des Gerichtshofs R. Silva de Lapuerta und des Richters M. Ilešič in Wahrnehmung der Aufgaben von Richtern der Ersten Kammer sowie der Richter M. Safjan und N. Jääskinen,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. September 2020,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Friends of the Irish Environment Ltd, vertreten durch J. Kenny, BL, O. Clarke und A. Jackson, Solicitors, und J. Healy, SC,
  • des Commissioner for Environmental Information, vertreten durch F. Valentine, BL, E. Egan, SC, und R. Minch, Solicitor,
  • des Courts Service of Ireland, vertreten durch C. Donnelly, BL, B. Murray und M. Collins, SC, und M. Costelloe und H. Gibbons, Solicitors,
  • von Irland, vertreten durch M. Browne, G. Hodge und A. Joyce als Bevollmächtigte im Beistand von A. Carroll, BL, und C. Toland, SC,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna und D. Krawczyk als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Gattinara und C. Cunniffe als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. Dezember 2020

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (ABl. 2003, L 41, S. 26).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Friends of the Irish Environment Ltd und dem Commissioner for Environmental Information (Beauftragter für Umweltinformationen, Irland) über den Zugang zu Akten eines abgeschlossenen Gerichtsverfahrens.

Rechtlicher Rahmen

Internationales Recht

Rz. 3

Das am 25. Juni 1998 in Aarhus unterzeichnete und mit dem Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigte Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (ABl. 2005, L 124, S. 1, im Folgenden: Übereinkommen von Aarhus) bestimmt in Art. 2 Abs. 2:

„[Im Sinne dieses Übereinkommens] bedeutet ‚Behörde’

  1. eine Stelle der öffentlichen Verwaltung auf nationaler, regionaler und anderer Ebene;
  2. natürliche oder juristische Personen, die aufgrund innerstaatlichen Rechts Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, einschließlich bestimmter Pflichten, Tätigkeiten oder Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Umwelt wahrnehmen;
  3. sonstige natürliche oder juristische Personen, die unter der Kontrolle einer unter Buchstabe a oder Buchstabe b genannten Stelle oder einer dort genannten Person im Zusammenhang mit der Umwelt öffentliche Zuständigkeiten haben, öffentliche Aufgaben wahrnehmen oder öffentliche Dienstleistungen erbringen;

Diese Begriffsbestimmung umfasst keine Gremien oder Einrichtungen, die in gerichtlicher oder gesetzgebender Eigenschaft handeln[.]”

Rz. 4

Art. 4 Abs. 1 des Übereinkommens von Aarhus sieht unter bestimmten Vorbehalten vor, dass jede Vertragspartei dieses Übereinkommens sicherzustellen hat, dass die Behörden im Rahmen der innerstaatlichen Rechtsvorschriften der Öffentlichkeit Informationen über die Umwelt auf Antrag zur Verfügung stellen.

Rz. 5

Art. 4 Abs. 4 des Übereinkommens von Aarhus bestimmt:

„Ein Antrag auf Informationen über die Umwelt kann abg...

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